2020
Die Brennstoffzellen-Technologie könnte im Verkehr der Zukunft 40 Prozent des anfallenden Energiebedarfs decken. Die zwei entscheidenden Fragen dabei: Sind mit Wasserstoff betriebene Pkw auch ein Zukunftsszenario oder sogar eine Alternative zu den im Augenblick viel beschworenen E-Autos mit Akkumulatoren?
Wasserstoff könnte der Energieträger der Zukunft werden. Auch im Verkehr kommt ihm nach Ansicht einiger Experten eine wichtige Rolle zu. Je nach Szenario könnte er 2050 bis zu 40 Prozent des dort anfallenden Energiebedarfs decken. Ob das Gas auch im Auto den Durchbruch schafft, hängt nicht zuletzt von der Infrastruktur ab. Und dort gibt es noch einiges zu tun.
Der große Vorteil von Wasserstoff ist seine saubere „Verbrennung“. Egal ob er in Kraftwerken oder Verbrennungsmotoren verfeuert oder in der Brennstoffzelle zur Stromgewinnung genutzt wird – als Abfallprodukt entsteht jeweils reines Wasser. Der gewonnene Strom oder die erzeugte Wärme sind in dieser Hinsicht entsprechend sauber. Das Problem: Die geschöpfte Energie muss bei der Herstellung erst einmal eingesetzt werden.
Wie bei Elektroautos ist es auch bei Wasserstoff: Wirklich grün ist der nur, wenn auch der zu seiner Herstellung genutzte Strom auch grün ist. Und noch ein Problem gibt es: Wasserstoff kann zwar auch aus klarem Wasser gewonnen werden, in den meisten Fällen werden aber aktuell fossile Energieträger als Grundstoff genutzt. Heute handelt es sich überwiegend um Erdgas, in den nächsten Jahren soll Kohle diese Rolle übernehmen. Bei beiden Varianten wird bei der Synthese CO2 freigesetzt, das aber im Idealfall abgeschieden und gespeichert werden kann.
Neben der Produktion gibt es ein weiteres Problem: Der Transport des sehr flüchtigen und extrem leichten Gases ist nicht ganz einfach. Klassische Erdgas-Pipelines sind nicht dicht genug, sodass über lange Distanzen große Mengen des Gases verloren gingen. Wird der Wasserstoff dem Erdgas beigemischt, was die Verluste reduziert, lässt es sich später bei Bedarf kaum mehr trennen. Druckwasserstoff-Pipelines dürften erst im kommenden Jahrzehnt verfügbar werden. Das Wasserstoffgas an den deutschen Wasserstofftankstellen kommt daher aktuell meist per Lkw. Das ist wenig effizient und funktioniert nur für relativ geringe Mengen. Eine nennenswerte Flotte von Brennstoffzellenautos lässt sich so also eher nicht betanken.
Eine mögliche Lösung für das Transportproblem sind dezentrale H2-Fabriken. Dort, so das Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF), ließe sich grüner Wasserstoff dezentral und modular für Industrie, Gewerbe und Verkehr entlang der Wertschöpfungskette produzieren und verteilen. Mit Hilfe von Sonnen- oder Windkraft soll genau an dieser Stelle Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten werden. Letzterer wird direkt vor Ort gespeichert und beispielsweise für die Betankung von Brennstoffzellenautos zur Verfügung gestellt.
Die Fraunhofer-Forscher denken dabei nicht nur an Privat-Pkw, sondern vor allem an Fahrzeugflotten mit Kleintransportern und Gabelstaplern, die in Industrie- und Gewerbeparks unterwegs sind. „Darüber hinaus wollen wir die Industrie mit Strom, Gas und Wärme versorgen. Der bei der Elektrolyse entstehende Wasserstoff lässt sich ins Gasnetz einspeisen, als Treibstoff nutzen, in Methan oder Methanol umwandeln und der Industrie als Rohstoff zur Verfügung stellen“, so IFF-Wissenschaftler Torsten Birth. Auch die Nebenprodukte der Wasserstoff-Herstellung sollen möglichst vor Ort verwertet werden: der Sauerstoff von der Industrie, das Ozon zur Abwasserreinigung in Kläranlagen.
Das von den Forschern entwickelte Konzept ist modular aufgebaut. Wo Sonnen- oder Windenergie nicht ausreichend zur Verfügung stehen, ist auch die Angliederung an eine Biogasanlage möglich. Durch ein spezielles Gärungsverfahren, ähnlich dem der Biogasproduktion, und unter Einsatz bestimmter Mikroorganismen könnte direkt aus organischen Reststoffen Wasserstoff erzeugt werden.
„Die fermentative Erzeugung von Biowasserstoff wird künftig eine wichtige Rolle bei der dezentralen Produktion des Energieträgers spielen“, prognostiziert Birth. Das Prinzip der Dezentralisierung lässt sich mit den Fraunhofer-Modulen sogar auf die Spitze treiben. So ließe sich auch eine Art transportabler Kleintankstelle bauen, die dorthin fährt, wo gerade Bedarf ist. Auf einem Kleinanhänger befinden sich erweiterbare Druckspeichersysteme mit Kompressoren, die betankt werden können und zudem in der Lage sind, Wasserstoff abzugeben. Der Vorrat könnte bei den Nutzern für rund 200 Kilometer Fahrt reichen.
Ob sich Wasserstoff im Pkw-Verkehr durchsetzt, bleibt auch bei der Lösung von Transport- und Herstellungsproblem abzuwarten. Denn der Wirkungsgrad eines Brennstoffzellenautos erreicht in der Gesamtrechnung nicht den eines Batterie-E-Autos – unter Effizienzgesichtspunkten ist es günstiger, grünen Strom direkt zu tanken als ihn zunächst unter Verlusten in Wasserstoff umzuwandeln. Trotzdem gibt es aus heutiger Sicht sinnvolle Anwendungen, etwa für die Energieversorgung von Langstrecken-Lkw, Schiffen und vielleicht auch Flugzeugen. Dort sind große Reichweiten wichtig, die mit Batterien aktuell nur zu einer unvorteilhaften Kosten-Nutzen-Rechnung möglich sind.
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Montag, den 13. April 2020 um 00:05 Uhr | 2.081 Besuche
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