2009
Mit der neuen B-Klasse F-CELL bringt Mercedes-Benz sein erstes unter Serienbedingungen gefertigtes Elektrofahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb auf die Straße. Die Kleinserienproduktion des umweltfreundlichen Elektroautos ist bereits gestartet. Im Frühjahr nächsten Jahres werden die ersten der rund 200 Fahrzeuge an Kunden in Europa und den USA ausgeliefert. Herzstück der B-Klasse F-CELL ist die neue Generation des Elektroantriebs mit Brennstoffzelle, der kompakt, leistungsfähig, sicher und voll alltagstauglich ist.
Die Brennstoffzelle erzeugt den Fahrstrom an Bord, wobei keine Schadstoffemissionen, sondern lediglich reines Wasser entsteht. Die wesentlichen Antriebskomponenten liegen geschützt und Platz sparend im Sandwichboden, sodass Innen- und Kofferraum vollständig nutzbar sind. Dank seiner großen Reichweite von rund 400 Kilometern und kurzer Betankungszeiten verbindet die B-Klasse F-CELL lokal emissionsfreie Mobilität mit Langstreckentauglichkeit und überzeugenden Fahrleistungen. Für Fahrspaß und -dynamik auf dem Niveau eines 2,0-Liter-Benziners sorgt der 100 kW/136 PS starke Elektromotor, der ein souveränes Drehmoment von 290 Nm entwickelt. Dabei erzielt die B-Klasse F-CELL einen NEFZ-Verbrauch (Neuer Europäischer Fahrzyklus) von umgerechnet nur 3,3 Litern Kraftstoff (Diesel-Äquivalent) je 100 Kilometer. Die technische Basis des Antriebs für die B-Klasse F-CELL bildet das optimierte Brennstoffzellensystem der neuesten Generation. Es ist rund 40 Prozent kleiner als das System in der A-Klasse F-CELL von 2004, entwickelt aber 30 Prozent mehr Leistung bei 30 Prozent weniger Verbrauch.
Als Stromspeicher kommt eine leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterie mit Hochvolt-Technik zum Einsatz. Sie verfügt über einen Energieinhalt von 1,4 kWh und wird über den Kreislauf der Klimaanlage gekühlt. Vorteile der Lithium-Ionen-Batterie sind ihre kompakten Abmessungen und die deutlich höhere Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Nickel-Metallhydrid-Batterien (NiMH). Die Energiedichte übertrifft die der NiMH-Technologie um 30 Prozent, die Leistungsdichte um 50 Prozent. Darüber hinaus zeichnet sie sich durch einen hohen Ladewirkungsgrad und eine lange Lebensdauer aus.
Das Brennstoffzellenmodul der B-Klasse F-CELL, der Stack, zeichnet sich durch eine sehr gute Kaltstartfähigkeit bis minus 25 Grad Celsius aus. Das System verfügt über ein neues Befeuchtungssystem aus Hohlfasern. Dadurch kann, anders als bei den ersten Generationen der Brennstoffzelle, im Stack kein Wasser mehr gefrieren und so den Kaltstart erschweren. Selbst bei minus 15 Grad Celsius ist die Startzeit der B-Klasse F-CELL ähnlich kurz wie bei einem Fahrzeug mit modernem Dieselmotor. Durch eine spezielle Betriebsstrategie wird gewährleistet, dass der Brennstoffzellenstack nach jedem Fahrzeugstart schnellstmöglich seine optimale Betriebstemperatur von etwa 80 Grad Celsius erreicht. Bei besonders tiefen Außentemperaturen erhält der Elektromotor beim Kaltstart seine elektrische Energie sowohl aus der Lithium-Ionen-Batterie als auch aus dem „hochfahrenden“ Brennstoffzellensystem. Bei wärmeren Außentemperaturen genügt der Batteriestrom, die Brennstoffzelle wird dann – je nach Leistungsbedarf – später zugeschaltet. Im Fahrbetrieb hält das Energiemanagement das F-CELL-System immer im optimalen Arbeitsbereich. Die Lithium-Ionen-Batterie gleicht Differenzen zur erforderlichen elektrischen Leistung im momentanen Fahrzustand dynamisch aus.
Der Wasserstoff für den Betrieb der Brennstoffzelle wird mit 700 bar Druck in den drei Fahrzeugtanks gespeichert. Sie können knapp vier Kilogramm des gasfömigen Kraftstoffs aufnehmen. Die Tanks sind nach außen hermetisch dicht, so dass auch bei längeren Standzeiten des Fahrzeugs kein Wasserstoff in die Umgebung entweicht. Durch den hohen Kompressionsgrad kann die B-Klasse F-CELL große Reichweiten von bis zu 400 Kilometern pro Tankfüllung erreichen, über zwei Mal mehr als die A-Klasse F-CELL. Sind die Tanks leer, können sie dank eines standardisierten Betankungssystems einfach und schnell in weniger als drei Minuten aufgefüllt werden. Bei jedem Bremsvorgang und bereits wenn man den Fuß vom Gas nimmt wandelt der Elektromotor Bewegungsenergie durch Rekuperation in elektrische Energie um, die in der Batterie gespeichert wird. Beim Rangieren oder kurzen Fahrstrecken arbeitet der elektrische Antriebsmotor mit Batteriestrom. Reicht die Kapazität des Energiespeichers nicht aus, schaltet sich die Brennstoffzelle automatisch zu.
Mercedes-Benz legt bei der B-Klasse F-CELL die gleichen hohen Sicherheitsmaßstäbe an wie bei allen anderen Serienfahrzeugen der Marke. Ausgangspunkt bildet die sehr hohe Crashsicherheit der Mercedes-Benz B-Klasse, die im europäischen NCAP-Rating (New Car Assessment Programme) mit der Höchstzahl von fünf Sternen ausgezeichnet wurde. Das integrierte Sicherheitskonzept der B-Klasse F-CELL trägt den spezifischen Eigenschaften des innovativen Antriebssystems Rechnung. Dabei flossen unter anderem die langjährigen Erfahrungen von Mercedes-Benz mit dem Elektroantrieb mit Brennstoffzelle aus der A-Klasse F-CELL sowie der Hochvolt-Technologie mit Lithium-Ionen-Batterie aus dem S 400 HYBRID ein.
Die Sicherheit der antriebsspezifischen Komponenten inklusive Wasserstofftank in der B-Klasse F-CELL haben die Mercedes-Ingenieure durch mehr als 30 Crashtests geprüft. Die Wasserstofftanks liegen aufprallgeschützt im Sandwichboden. Sie nehmen den komprimierten Wasserstoff auf und sind für alle denkbaren Belastungen ausgelegt. Bei einem Crash schließen Sicherheitsventile die Wasserstoff-Versorgungslei tungen zur Brennstoffzelle und entkoppeln die Tanks von den übrigen Systemkomponenten. Auch nach einem sehr starken Aufprall kann somit keine Gefährdung durch Wasserstoff entstehen. Im Falle einer übermäßigen Hitzeeinwirkung in Folge eines Brandes wird über ein temperaturgesteuertes Ventil der Tankinhalt kontrolliert abgelassen.
Lithium-Ionen-Batterie und Hochvoltsystem der B-Klasse F-CELL sind – den Erfahrungen mit der Hybridtechnologie des S 400 HYBRID folgend – mit einem umfangreichen Sicherheitskonzept ausgerüstet. Alle Hochvoltkomponenten sind durch eine elektrische Schleife miteinander verbunden. Bei einer Fehlfunktion wird das Hochvoltsystem automatisch abgeschaltet. Sobald die Zündung auf „aus“ geschaltet wird oder bei möglichen Störungen wird das Hochvoltsystem aktiv entladen. Bei einem Unfall wird das Hochvoltsystem in Sekundenbruchteilen komplett abgeschaltet, außerdem wird das System permanent auf Kurzschlüsse überwacht. Aufgrund des hohen Sicherheitsniveaus gibt es für Brennstoffzellenfahrzeuge von Mercedes-Benz keinerlei Beschränkungen bezüglich der Einfahrt in Tiefgaragen, Parkhäuser oder Tunnels.
Bei der B-Klasse F-CELL wendet Mercedes-Benz erstmals alle Entwicklungs- und Produktionsstandards der Serienproduktion auf ein Elektrofahrzeug mit Brennstoffzelle an. Damit sind wesentliche Voraussetzungen für die Effizienz steigernde und Kosten senkende Industrialisierung des Elektroantriebs mit Brennstoffzelle inklusive Batterie geschaffen. Analog zur Strategie für die Hybridentwicklung haben die Mercedes-Ingenieure auch für Elektrofahrzeuge mit Batterien und Brennstoffzellen einen modularen Systembaukasten entwickelt. Dieser ermöglicht unter anderem den effizienten Einsatz von Gleichteilen in allen Elektrofahrzeugen. Für die Modularisierung eignen sich alle wesentlichen Komponenten von Elektrofahrzeugen: vom Elektromotor und dem Getriebe über die Batterie und das Hochvolt-Sicherheitskonzept bis hin zu Hochvoltverkabelung und Software-Modulen. Bei F-CELL-Fahrzeugen lassen sich spezifische Komponenten, zum Beispiel Stacks und Wasserstofftanks, einheitlich für ganz unterschiedliche Fahrzeuge nutzen. Zum Beispiel, indem man die Anzahl je nach Bedarf variiert: So fährt etwas der Mercedes-Benz Brennstoffzellenbus mit zwei Pkw-Systemen desselben Typs, der auch in einer B-Klasse F-CELL verwendet wird.
Wie das Unternehmen den Modulgedanken bei künftigen Elektrofahrzeugen mit Batterie und Brennstoffzellen umsetzt, zeigt das seriennahe Concept BlueZERO. Analog zur B-Klasse F-CELL sind auch beim Concept BlueZERO die wesentlichen Antriebskomponenten crashsicher im Sandwichboden untergebracht. Das variable Konzept ermöglicht auf Basis einer Fahrzeugarchitektur drei Varianten mit unterschiedlichen Antriebskonfigurationen, die alle Kundenanforderungen an nachhaltige Mobilität erfüllen können – auch und insbesondere im Hinblick auf zentrale Aspekte wie Sicherheit und Reichweite:
- Der BlueZERO E-CELL mit rein batterieelektrischem Antrieb erzielt eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern
- Der BlueZERO F-CELL mit Brennstoffzelle ermöglicht dank einer elektrischen Reichweite von deutlich über 400 Kilometern auch Langstreckenfahrten
- Der BlueZERO E-CELL PLUS mit Elektroantrieb und zusätzlichem Verbrennungsmotor als Stromgenerator („Range Extender“) erzielt eine Gesamtreichweite von bis zu 600 Kilometern und fährt rein elektrisch bis zu 100 Kilometer weit.
Mercedes-Benz setzt bei F-CELL-Fahrzeugen sogenannte PEMFC-Brennstoffzellen (Polymer Electrolyte Membran Fuel Cell) ein. Sie haben sich bei der Bewertung verschiedener Brennstoffzellen-Bauarten als die am besten für Kraftfahrzeuge geeigneten herausgestellt. Der für den mobilen Einsatz entscheidende Vorteil ist eine Arbeitstemperatur von bis zu zirka 80 Grad Celsius. Eine Brennstoffzelle ist eine galvanische Zelle, welche die Reaktionsenergie eines zugeführten Brennstoffes (z.B. Wasserstoff) und eines Oxidationsmittels (z.B. Luftsauerstoff) in elektrische Energie wandelt. Eine Brennstoffzelle ist kein Energiespeicher wie ein Akku, sondern ein Energiewandler.
Der Antrieb eines Brennstoffzellenfahrzeugs erreicht einen doppelt so hohen Wirkungsgrad wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Das liegt hauptsächlich daran, dass die chemische Energie des Brennstoffs (Wasserstoff) direkt in elektrische Energie umgewandelt wird. Das Kernstück der PEM-Brennstoffzelle ist eine Protonen-leitende Kunststofffolie, die sogenannte Proton Exchange Membrane (PEM). Sie trennt die Reaktionspartner Sauerstoff und Wasserstoff voneinander. Die nur wenige Zehntelmillimeter dicke Kunststofffolie ist beidseitig dünn mit Platin beschichtet. Diese Platinschicht dient als Katalysator für die chemische Reaktion die den Wasserstoff in Protonen und Elektronen zerlegt. Während die Protonen durch die Folie zum Sauerstoff fließen, ist der Durchgang für die Elektronen gesperrt. Der Wasserstoff reagiert mit dem Sauerstoff zu Wasser, das in die Umgebung abgeführt wird. Durch den Elektronenüberschuss auf der Wasserstoffseite und den Elektronenmangel auf der Sauerstoffseite entsteht eine elektrische Spannung. Werden die beiden Pole miteinander verbunden, fließt ein elektrischer Strom, der den Elektromotor des F-CELL Fahrzeugs antreibt. Bei der Reaktion in der Brennstoffzelle entsteht neben elektrischer Energie auch Wärme, die beispielsweise zum Beheizen des Fahrzeugs genutzt werden kann.
Um eine für Brennstoffzellenfahrzeuge ausreichende elektrische Leistung zu erreichen, werden einzelne Brennstoffzellen zu Stacks elektrisch in Reihe geschaltet. Eine Steuereinheit stellt die bedarfsgerechte Versorgung des Stacks mit Wasserstoff sowie Sauerstoff aus der Luft sicher. Der Wasserstoff wird dabei dem Stack über das Anodenmodul zugeführt, die Luft über das Kathodenmodul. Ein Befeuchtermodul führt dem Stack Feuchtigkeit zu, um optimale Betriebsbedingungen innerhalb des Stacks zu erzielen. Ein Kühlsystem hält die Brennstoffzelle immer auf ihrer optimalen Betriebstemperatur von zirka 80 Grad Celsius.
Historie der Brennstoffzelle bei Mercedes-Benz
- 1994 startete NECAR 1, das weltweit erste Fahrzeug mit Elektroantrieb mit Brennstoffzelle.
- 1999 -Im NECAR 4 gelingt es erstmals, einen 70 kW/95 PS starken Elektroantrieb mit Brennstoffzelle einschließlich Tankanlage komplett im Sandwichboden der A-Klasse unterzubringen. Das Forschungsfahrzeug fährt mit komprimiertem Wasserstoff und erzielt eine Reichweite von 200 Kilometern.
- 2003 – In Madrid und Stuttgart gehen die ersten von 30 Brennstoffzellen-Stadtbussen auf Basis des Mercedes-Benz Citaro in den Linieneinsatz. Weitere europäische Großstädte sowie Perth (Australien) und Peking folgen. Bis 2006 erreichen alle Fahrzeuge zusammen bei rund 135.000 Betriebsstunden eine Laufleistung von über zwei Millionen schadstoffarmen Kilometern.
- 2004 – Mercedes-Benz übergibt in Berlin zehn Brennstoffzellen-Pkws in Kundenhand. Die A-Klasse F-CELL tankt den benötigten Wasserstoff an der öffentlichen Tankstelle der „Clean Energy Partnership“ (CEP).
- 2009 – Mit der seriennahen Studie Concept BlueZERO präsentiert Mercedes-Benz ein modulares Antriebs-konzept für Elektrofahrzeuge: mit batterieelektrischem Antrieb, mit Brennstoffzellen sowie mit Elektromotor und zusätzlichem Verbrennungsmotor als Stromgenerator zur Erhöhung der Reichweite.
- 2009 – Mit einer Kleinserie der B-Klasse F-CELL produziert Mercedes-Benz die ersten Brennstoffzellenfahrzeuge unter Serienbedingungen. Dank der Wasserstoff-Hochdrucktechnologie mit 700 bar Druck steigt die Reichweite des 100 kW/136 PS starken, alltagserprobten Fahrzeugs auf rund 400 Kilometer.
Technische Daten Mercedes-Benz B-Klasse F-CELL
- Kompakte Lithium-Ionen-Batterie mit großer Speicherkapazität
- Nennleistung (kW/PS): 100/136
- Nenndrehmoment (Nm): 290
- Höchstgeschwindigkeit (km/h): 170
- NEFZ-Verbrauch (l Dieseläquivalent/100 km): 3,3
- CO2 ges. (g/km min.–max.): 0,0
- Reichweite (km) NEFZ: 385
- Energieinhalt / Leistung Lithium-Ionen Batterie (kWh/kW): 1,4 /35
- Kaltstartfähigkeit: bis -25 °C
Hauptkomponenten des Antriebs sind
- der kompakte Brennstoffzellenstack
- die leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterie
- drei Drucktanks für den auf 700 bar komprimierten Wasserstoff
- sowie der kompakte und leichte Antriebsmotor an der Vorderachse
(Fotos & Grafiken: Daimler AG)
Geschrieben von Oliver Hartwich
Erschienen am Sonntag, den 13. Dezember 2009 um 01:09 Uhr | 15.330 Besuche
Abgelegt unter Alternativantrieb
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