2020
Die technische Sensation verbirgt sich hinter einem sachlichen Kürzel: ESP® steht für Elektronisches Stabilitäts-Programm. Es unterstützt in fahrdynamisch kritischen Situationen, indem es gezielt ein oder mehrere Räder abbremst und – falls notwendig – das Motordrehmoment anpasst. So kann das Fahrzeug der über den Lenkeinschlag vorgegebenen Richtung folgen. Im Mai 1995 feiert ESP® im Mercedes-Benz Coupé der Baureihe 140 die Serienpremiere.
Eine wichtige Episode vorweg: Der rasante Aufstieg des Assistenzsystems zum weltweiten Standard folgt ab Oktober 1997. Beim Test einer Mercedes-Benz A-Klasse der Baureihe 168 durch einen schwedischen Motorjournalisten wird bei einem abrupten Ausweichmanöver, dem sogenannten „Elchtest“, der fahrdynamische Grenzbereich überschritten, und das Kompaktfahrzeug fällt auf die Seite. Was zunächst wie ein Rückschlag wirkt, geht das Unternehmen konstruktiv an: Die Auslieferung der A-Klasse wird für zwölf Wochen unterbrochen und das Assistenzsystem ESP® in dieser Zeit als serienmäßige Komponente in allen Fahrzeugen nachgerüstet. Das Ergebnis überzeugt: Die A-Klasse erfüllt nun auch Extremtests besser als der Wettbewerb. 1999 ist Mercedes-Benz dann die erste Marke, die alle Pkw-Modelle serienmäßig mit dem Fahrsicherheitssystem ausstattet. Dieser Schritt hat eine branchenweite Signalwirkung.
Das ESP® baut auf den erfolgreichen Technologien Antiblockiersystem (ABS) und Antriebsschlupfregelung (ASR) auf, verwendet jedoch eine nochmals erheblich umfangreichere Sensorik. Dazu zählen insbesondere Lenkwinkel-, Querbeschleunigungs- und Gierratensensoren. Ein Schlüsselelement für den Erfolg des ESP® ist der von Bosch produzierte Gierratensensor. Er erfasst präzise die Drehbewegungen des Fahrzeugs um seine Hochachse – so kann die Elektronik zum Beispiel Schleuderbewegungen erkennen. Auf der Grundlage dieser Daten errechnet das System in Millisekunden korrigierende Bremsreaktionen.
Entwickelt wird die Innovation von Daimler-Benz und Bosch. Die ersten Entwicklungsschritte machen beide Unternehmen in den 1980er-Jahren noch unabhängig voneinander: Die Vorentwicklungsbereiche der beiden Unternehmen suchen nach Lösungen, um in kritischen Fahrsituationen eine größere Fahrstabilität zu ermöglichen. Im Jahr 1992 bündeln beide ihre Entwicklungen in einem gemeinsamen Team. Die Ergebnisse der Arbeit werden 1994 unter dem Namen Fahrdynamik-Regelung (FDR) vorgestellt.
Die Markteinführung des ESP® erfolgt dann als Elektronisches Stabilitäts-Programm ESP® ab Mai 1995 im S 600 Coupé der Baureihe 140, das es als Serienausstattung erhält. Die gleichfalls mit V12-Motor ausgestatteten S 600 Limousinen und der SL 600 folgen ab September 1995. Ab diesem Zeitpunkt ist es zudem in den S-Klasse Limousinen und Coupés mit V8-Motor und der SL-Klasse optional erhältlich. Ab der Markteinführung im Januar 1996 ist es dann auch für den E 420 der Baureihe 210 lieferbar.
Neben Gurt, Airbag und ABS hat sich ESP® seit Mitte der 1990er-Jahre als das mit Abstand wichtigste Sicherheitssystem moderner Personenwagen etabliert. Zunächst führt Mercedes-Benz als weltweit erster Hersteller das ESP® konsequent für alle eigenen Baureihen als Serienausstattung ein. Danach reduziert sich der Anteil von Mercedes-Benz Personenwagen an folgenschweren Fahrunfällen in der Unfallstatistik um mehr als 42 Prozent, bei Modellen anderer Marken dagegen nur um 13 Prozent. Diese Wirksamkeit überzeugt: Bald ziehen immer mehr Hersteller nach. Und gemäß einer EU-Verordnung müssen seit November 2011 sämtliche in der Europäischen Union neu zugelassenen Personenwagen- und Nutzfahrzeugtypen serienmäßig mit ESP® ausgestattet werden.
Die Mercedes-Benz A-Klasse ist ein Trendsetter. Die Demokratisierung von in der Oberklasse etablierter Hochtechnologie über das Spektrum ganz verschiedener Personenwagen-Baureihen hinweg spiegelt sich in der Ausstattung der aktuellen Baureihe 177 wider. Denn die A-Klasse mit ihren Derivaten zeichnet sich nicht nur durch das wegweisende Multimediasystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience) aus, sondern bietet auch die aktuellsten Assistenzsysteme von Mercedes-Benz Intelligent Drive mit Funktionsumfängen, wie sie auch für alle anderen Fahrzeuge bis hin zur modellgepflegten S-Klasse der Baureihe 222 zur Verfügung stehen – inklusive teilautomatisiertem Fahren in bestimmten Situationen.
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Samstag, den 23. Mai 2020 um 00:05 Uhr | 1.669 Besuche
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