2011
In Deutschland wird in diesem Jahr gewählt. Und wenn es keine wichtigen Themen gibt, dann werden eben schnell Mal welche gemacht. Die Bundesministerin für Verbraucherschutz hat jetzt die Überführungskosten der Autohersteller für sich als Wahlkampfthema entdeckt und fordert: Schluss mit der Abzocke! Frau Aigner (CSU) ist der Meinung: „Aus Sicht der Verbraucher sind die hohen Überführungskosten nicht nachvollziehbar.“
Klar das sich die Redaktion der Zeitschrift Auto Bild gleich mit zu diesem Thema äußert. In der Auto Bild Ausgabe Nummer 19 vom 13. Mai 2011 wird alles doch recht einseitig aber irgendwie passend zur Aussage von Frau Ministerin dargestellt.
Der federführende Redakteur Stefan S. zeigt auch gleich ein sehr extremes Beispiel für die Überführungskosten: ein Stuttgarter Sportwagenhersteller verlangt für die Überführung eines im Werk Leipzig hergestellten Wagens an den örtlichen Händler satte 1.300 € Überführungskosten.
Wenn man das dann, so wie von Auto Bild geschehen, runterrechnet auf den Kilometer für die zurückgelegte Transportstrecke von 1,4 Kilometer, dann macht das 93 Cent pro Meter.
Was zahlen Sie eigentlich bei einem Leihwagen für jeden Kilometer, den Sie mehr fahren als vereinbart? Ein großer deutscher Autovermieter verlangt 32 Cent. Jeder Kilometer kostet eben.
Das Beispiel vom Sportwagenhersteller klingt erst einmal heftig. Doch Auto Bild zeigt nur die eine Seite der Medaille. Wer glaubt denn ernsthaft, dass man für den neuen Schrank aus dem Möbelhaus keine Überführungskosten bezahlt? Der Transport von Waren muss überall bezahlt werden, auch wenn Frau Ministerin behauptet: „In allen anderen Branchen sind Überführungskosten zum Händler unüblich.“
Sicherlich können Sie Ihren neuen Schrank direkt beim Sägewerk abholen. Aber wer bezahlt Ihnen dann die Zeit, die Sie dafür aufwenden? Wer bezahlt das Benzin, das Ihr Auto auf dem Weg verbraucht? Wer bezahlt für diese Fahrt Ihre Autoversicherung? Wer bezahlt die anschließende Reinigung Ihres Wagens? Richtig. Die bezahlen Sie selber! Alle Kosten zusammengerechnet könnte man dann auch Überführungskosten nennen.
Genauso verhält es sich bei den Autoherstellern. Der Hersteller bezahlt den Autotransporter. Den Fahrer auch. Auch die Versicherung des Transporters und des gesamten Transportes. Auch für die Benzinkosten und die Mautgebühren auf der Autobahn bezahlt der Hersteller. Die Reinigung des neuen Autos ebenso. Die Arbeitszeit und die Lohnnebenkosten aller Menschen, die an diesem Transport beteiligt sind bezahlt auch erst einmal der Hersteller. Am Ende summiert sich das auf einen Betrag, den alle Hersteller weitergeben. Die Überführungskosten.
Diese Kosten fallen bei allen Herstellern unterschiedlich aus. Die genauen Gründe sind uns nicht bekannt. Sicherlich eine Frage der Verträge und der Kalkulation. Die Höhe der Überführungskosten ist zudem auch noch Händlerabhängig.
Beispiele: Für einen rumänischen Kleinwagen können Sie in Hamburg ca. 690 € Überführungskosten bezahlen und in München sind es dann schon ca. 780 €. Für das Wolfsburger Massenmodell zahlen Sie am Produktionsstandort beim Händler ca. 530 € und für den gleichen Wagen in Hamburg dann bereits ca. 699 €. Für einen Ingolstädter bezahlen Sie beim Werkshändler 400 €. In der Hansestadt 820 €.
Ob es sich bei den Überführungskosten der Hersteller nun um Abzocke handelt, bleibt eine Frage mit vielen Antworten. So einfach wie es sich Frau Ministerin aber macht, ist es nicht.
Jeder Arbeitsplatz muss bezahlt werden. Im Fall der Überführungskosten zahlt ihn der Kunde, der ein neues Auto bestellt hat. Sicherlich fehlt es ein wenig an Transparenz. Alternativ könnten die Hersteller die Kosten gleich berücksichtigen. Dann würde ein rumänischer Billigwagen in Hamburg nicht mehr rund 7.000 € kosten, sondern gut 7.690 €.
Am Ende vergisst Frau Ministerin zu erwähnen, dass Sie und ihr Kollege Herr Finanzminister an den Überführungskosten auch kräftig mitverdienen. Und die Zwei werden sicherlich keine Einnahmequelle stilllegen! Aber nicht vergessen: Es sind Wahlen – da kann man schon einmal ein wenig lauter trommeln und auf sich aufmerksam machen. Danach ist wieder Ruhe.
Übrigens bieten einige Hersteller ihren Kunden an, das neue Fahrzeug persönlich im Werk abzuholen. Wer aber glaubt, damit lassen sich die Überführungskosten umgehen, der irrt gewaltig! Nur bei Mercedes-Benz ist die Selbstabholung des neuen Wagens kostenlos. Eine Werksbesichtigung, ein Mittagessen und ein vollen Tank gibt es gratis dazu. Dies bieten andere Hersteller zwar auch an, halten dafür aber auch noch schön die Hand auf. In Wolfsburg blättert man 399 € für die Selbstabholung hin. Ingolstadt verlangt satte 450 €. Richtig dreist geht es in München zu. 500 € muss der Kunde zahlen, wenn er auf eigene Kosten nach Bayern reist um sein neues Gefährt abzuholen. Richtig teuer kommt es Kunden bei Porsche! Wer seinen SUV in Leipzig persönlich abholt, muss dafür mindestens 994 € blechen. Dieses Verhalten der Autohersteller ist unverschämt und dreist. Wenn sich der Kunde entschließt, sein neues Fahrzeug selbst abzuholen, dann sollte er nicht auch noch so frech abkassiert werden!
Den Artikel: Ministerin kämpft gegen Überführungskosten können Sie in der Auto Bild Ausgabe Nummer 19 vom 13. Mai 2011 nachlesen.
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Sonntag, den 22. Mai 2011 um 19:25 Uhr | 13.806 Besuche
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