2020
Der Mercedes-AMG F1 W11 EQ Performance ist eine Evolution seines Vorgängers, also jenes Autos, mit dem Mercedes das historische sechste WM-Double in Folge gewinnen konnte. Das Team hat sich eine Vielzahl an Bereichen angesehen, um das Auto zu verbessern und einen Großteil der mehr als 10.000 Teile des Fahrzeugs verändert, um auf diese Weise die Performance zu steigern. Der Mercedes-AMG F1 W11 EQ Performance dürfte das schnellste Rennauto werden, das Mercedes jemals gebaut hat.
„Das Reglement blieb für das neue Jahr weitestgehend unverändert. Für uns ging es deshalb vor allem darum, sicherzustellen, dass uns bei der Entwicklung eines Autos, das im Vorjahr gut funktioniert hat, nicht der Schwung verloren geht“, sagte James. „Wir wollten Aspekte des Fahrzeugkonzepts verändern. Aspekte, die sich während einer Saison unmöglich verändern lassen. So wollten wir eine ergiebigere Basis für die neue Saison schaffen. Wir nahmen einige wenige gut durchdachte Änderungen an der Architektur vor, um die Weiterentwicklung trotz der relativ unveränderten Regeln voranzutreiben.“
Neben einer Vielzahl an Detailänderungen und kleineren Verbesserungen konzentrierte sich das Team über den Winter auf drei größere Veränderungen: eine an der Front, eine in der Mitte und eine am Heck des Autos.
„Vorne akzeptieren wir eine größere strukturelle Komplexität rund um die Querlenker und Radfelgen, um insgesamt eine performantere Baugruppe zu erhalten“, sagte James. „In der Fahrzeugmitte gehen wir mit dem Fahrerlager-Trend und schieben die obere seitliche Crash-Struktur in eine tiefere Position und nehmen den aerodynamischen Vorteil mit, den diese Anordnung bringt. Am Heck des Autos haben wir uns für ein experimentierfreudiges Aufhängungslayout entschieden, um damit Möglichkeiten zur aerodynamischen Weiterentwicklung zu schaffen. Alle drei Veränderungen waren schon für sich alleine gesehen Verbesserungen, aber der tatsächliche Effekt ist eine Gruppe von sekundären Aerodynamikvorteilen, sowohl während des Winters als auch hoffentlich im Verlauf der kommenden Saison.“
Im vergangenen Jahr brachte das Team nach der ersten Testwoche ein erhebliches Upgrade-Paket für das Auto, wodurch sich das Aussehen des Fahrzeugs für Melbourne deutlich von der Launch-Version unterschieden hat. In diesem Jahr wird die Rennversion viel näher an jenem Fahrzeug liegen, das heute in Silverstone zum Einsatz kommt.
„Wir werden erneut Upgrades für Melbourne haben, die in der zweiten Testwoche kommen, aber es wird nicht wie 2019 ein komplett neues Auto geben“, sagte James. „Im vergangenen Jahr wurden die Regeln recht deutlich geändert und die Entscheidung dafür fiel erst ziemlich spät im Jahr. Unter diesen Umständen gaben uns ein Launch-Auto in Woche eins und ein Fahrzeug für die zweite Woche die Möglichkeit, die bestmöglichen Lehren für unser Melbourne-Auto zu ziehen. In diesem Jahr sind die Regeln stabiler und da die Entwicklung für das 2020er Auto auf dem Niveau begann, auf dem sich das letztjährige Fahrzeug am Saisonende befand, würde es keinen Sinn machen, den Ansatz aus dem Vorjahr zu wiederholen.“
Ähnlich wie bei der Weiterentwicklung auf der Chassis-Seite stellt auch die neue Power Unit mit dem Namen Mercedes-AMG F1 M11 EQ Performance eine Evolution dar. Auch in diesem Bereich blieb das Reglement über den Winter weitestgehend unverändert. Während das Regelwerk für das Chassis in sein zweites relativ stabiles Jahr geht, gab es auf Seiten der Power Unit keine größeren Veränderungen seit der Einführung der aktuellen Generation von 1,6-Liter-V6-Hybrid-Motoren im Jahr 2014. Umso schwieriger gestaltet sich die Suche nach Performance für das Team.
„Wir mussten einen noch breiteren Bereich der PU weiterentwickeln und haben uns jedes einzelne System angesehen“, sagte Andy Cowell, Managing Director von Mercedes-AMG High Performance Powertrains. „Wir haben an einer ganzen Menge von Projekten gearbeitet, die als Ganzes hoffentlich dabei helfen werden, das Auto auf der Rennstrecke schneller zu machen, während sie dem Aerodynamik-Team mehr Möglichkeiten bieten, Verbesserungen vorzunehmen.“
Im Verlauf der vergangenen sechs Jahren seit der Einführung des Reglements erzielte Mercedes bei der PU erhebliche Fortschritte, und das nicht nur mit Blick auf die Leistung und die Zuverlässigkeit, sondern auch in Sachen Effizienz. Von 2014 bis heute wurde die thermische Effizienz von rund 44 Prozent auf mehr als 50 Prozent gesteigert. Die thermische Effizienz steht für die Fähigkeit eines Motors, die Energie aus dem Benzin in nutzbare Arbeit umzuwandeln. Eine Effizienz von mehr als 50 Prozent bedeutet, dass mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie aus dem Kraftstoff dazu genutzt werden kann, um das Fahrzeug anzutreiben. Damit ist die F1 Power Unit der effizienteste Verbrennungsmotor, der jemals gebaut wurde. Ein typisches Straßenauto erreicht normalerweise eine thermische Effizienz von 30 Prozent.
Es ist keine einfache Aufgabe, neue Lösungen zur Steigerung der Performance sowie der Zuverlässigkeit zu finden, wenn ein stabiles Reglement bereits in sein siebtes Jahr geht. Der Erfolg hängt in diesem Fall zu einem Großteil von der richtigen Einstellung ab.
„Es gibt keine Perfektion, aber immer eine Gelegenheit, um sich zu verbessern – und genau diese Einstellung haben wir alle“, sagte Andy. „Wir verbessern jedes Detail: die Materialien, die Komponenten und die Bestandteile, aber auch das Design unserer Werkzeuge. Man weiß, dass es Dinge gibt, die man besser machen kann. Das Herzstück dieser Mentalität ist es, selbstkritisch und aufgeschlossen zu sein.“
Das Vorjahresauto hatte Schwierigkeiten bei hohen Umgebungstemperaturen. Daran haben die Teammitglieder sowohl in Brackley als auch in Brixworth gearbeitet, um das Kühlungspaket des W11 zu verbessern. Neben größeren Kühlern am Auto konzentrierte sich das Team darauf, die Kühlung effizienter zu gestalten, indem die Betriebstemperaturen des Motors erhöht wurden.
„Wir unternehmen erhebliche Anstrengungen, um sicherzustellen, dass alle Kühlflüssigkeiten in der Power Unit bei höheren Temperaturen funktionieren“, sagte Andy. „Dadurch erhöhen wir den Temperaturunterschied zwischen den Kühlflüssigkeiten und der Umgebungstemperatur des Rennens, wodurch die Effizienz des Kühlsystems steigt. Das ist jedoch eine harte Nuss, weil große Teile des Motors aus Aluminium gefertigt sind und die Funktionstemperaturen bedeuten, dass die Materialeigenschaften ziemlich rasch abfallen. Es ist eine schwierige Aufgabe für die Ingenieure, dies über die angestrebte Distanz von acht Rennen für einen Power-Unit-Zyklus zu erreichen. Als Power-Unit-Ingenieure konzentrieren wir uns nicht nur auf die Leistung an der Kurbelwelle, wir schauen auch besonders stark auf das Packaging und das Verringern von Mehraufwand für die Aerodynamiker, damit sie sich hauptsächlich darauf konzentrieren können, dass das Auto in den Kurven klebt.“
Das Jahr 2020 ist ein ganz besonderes für das Mercedes-AMG Petronas F1 Team: die Mannschaft feiert das zehnjährige Jubiläum des heutigen Mercedes-Werksteams in der Formel 1. Am 14. März 2010 ging das neue Mercedes F1 Team in Bahrain zum ersten Mal in der Königsklasse an den Start. Seitdem hat es in beinahe 200 Formel 1-Rennen (198) 93 Siege, 194 Podestplätze und 48 Doppelsiege eingefahren.
„Es ist fantastisch, dass das Team in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiern kann“, sagte Toto Wolff. „Vor mehr als 25 Jahren sind wir als Motorenhersteller in die Formel 1 zurückgekehrt und ein Jahrzehnt später haben wir aufs Ganze gesetzt. Das zeigt unser langfristiges Engagement sowohl mit unserem Werksteams als auch als Power-Unit-Hersteller für unsere wertvollen Kunden. Wir waren über technische Regeländerungen und Wechsel in der Konzernspitze bei Daimler hinweg in der Formel 1, unser Engagement wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Es ist großartig, dass wir nun unser zehnjähriges Jubiläum mit dem Mercedes Werksteam als weiteren Meilenstein hinzufügen können.“
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Donnerstag, den 20. Februar 2020 um 00:05 Uhr | 2.811 Besuche
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