2017
Am 12. November feierte Dr. h.c. Bruno Sacco – ehemaliger Chefdesigner der Marke Mercedes-Benz und mitverantwortlich für zahlreiche Fahrzeugdesigns der Marke mit Stern seinen 84, Geburtstag. Sacco und der Stuttgarter Autohersteller – eine ganz besondere und einzigartige Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahrzehnte.
Seit 1975 und bis zu seinem Wechsel in den Ruhestand im Jahr 1999 war er Chefdesigner der Marke Mercedes-Benz. Während seiner Tätigkeit folgt er dazu stets einem Grundsatz: „Ich bin nicht Designer bei Mercedes-Benz, weil ich ‚L’A rt pour l’art’ für meine Devise halte, die Kunst um der Kunst willen, sondern weil ich auch möchte, dass die Autos, die ich zu verantworten habe, erfolgreich verkauft werden.“
Saccos Liebe zu Automobilen wird von Fahrzeugen geweckt, die der französische Designer Raymond Loewy gestaltet hat. Denn beispielsweise im April 1951 besucht Sacco in Turin die dortige Automobilausstellung – und ist elektrisiert und fasziniert von Loewys Kreation des dort ausgestellten Studebaker Starlight.
Das Fahrzeug ist eine Bewegungsskulptur mit stilistischen Anklängen an Flugzeuge, verbunden mit futuristischen Anleihen. Sacco ist so fasziniert von diesem Automobil, dass die Begegnung die Weichen für seine weitere Zukunft stellt. Nachdem Sacco 1951 seine Prüfung als jüngster Geometer Italiens in Udine abgeschlossen hat, zieht die Familie 1952 nach Turin. Dort besucht er die Polytechnische Hochschule.
Turin ist damals ein Schmelztiegel neuer Designideen, die aus den USA nach Europa kommen und sich dort mit italienischem Formgefühl und Eleganz zu neuen Kreationen verbinden. Pinin Farina, Nuccio Bertone, Gigi Michelotti oder Carozzeria Ghia sind neben den Automobilherstellern Fiat und Lancia die Propheten neuen Automobildesigns der 1950er-Jahre. Sacco, fasziniert von der Kreativität in der Welt der Automobilformen, entdeckt schnell die Anziehungskraft der Designateliers und wird dort zu einem häufigen Besucher.
Ab Ende 1955 kann er bei Ghia Erfahrungen in der Modellherstellung sammeln – zu einer Zeit, als dort unter anderem auf Chrysler-Basis der Traumwagen Gilda entsteht oder auch der Karmann-Ghia auf Volkswagen-Basis. Sacco arbeitet mit Kapazitäten wie Giovanni Savonuzzi oder Sergio Sartorelli zusammen und profitiert von deren Erfahrung. In Turin lernt er auch Karl Wilfert kennen. Wilfert, damals bei Daimler-Benz Leiter der Entwicklung Aufbauten und damit verantwortlich für Karosseriebau und Design, lädt ihn Ende 1957 ins Werk Sindelfingen ein – und stellt den jungen engagierten Designer wenig später ein. Sacco tritt am 13. Januar 1958 in Sindelfingen seine Stelle als zweiter Stilist an, nach Paul Bracq, der 1957 als erster Stilist eingestellt worden ist. Es soll seine Lebensstellung sein – zum Anfangsgehalt von 650 DM pro Monat.
Als Stilist und Konstrukteur arbeitet er unter der Leitung von Karl Wilfert, Friedrich Geiger und Béla Barényi an verschiedenen Projekten mit, beispielsweise am Mercedes-Benz 600 (W100) und am Roadster 230 SL (R113).
Außerdem hat er die Design-Projektleitung inne für die damaligen Sicherheitsausstellungen sowie für die Experimentalfahrzeuge C 111-I und C 111-II. Im Jahr 1970 übernimmt Sacco bei Daimler-Benz die Leitung der Abteilung Karosseriekonstruktion und Maßkonzeption. In dieser Zeit entstehen unter seiner Mitwirkung die ESF-Prototypen (Experimental-Sicherheits-Fahrzeuge) sowie die Mittelklasse-Baureihe 123.
Mit dem Titel „Oberingenieur“ tritt Bruno Sacco 1975 die Nachfolge von Friedrich Geiger als Leiter der Hauptabteilung Stilistik an und prägt somit fortan das Erscheinungsbild der Mercedes-Benz Personenwagen. Die wichtigsten Etappen dieser stetigen formalen Evolution sind der Diesel-Rekordwagen C 111-III (1978) und die S-Klasse der Baureihe 126 (1979). Im Jahr 1978 trägt das Unternehmen der steigenden Bedeutung des Designs Rechnung: Die Hauptabteilung wird zum Fachbereich aufgewertet, und Sacco wird Leiter des Fachbereichs Stilistik.
1980 präsentiert der Bereich Stilistik einige Leitlinien für das Mercedes-Benz Design auf dem „Deutschen Designertag“. Design, so heißt es dort, ist eins der führenden Elemente in der Mixtur, aus der ein erfolgreiches Auto besteht: Seine herausragenden Merkmale und seine Charakterstärke machen den Unterschied aus, wenn Autos sich in ihren technischen Qualitäten immer weniger voneinander absetzen.
Ein herausragendes Beispiel aus Saccos Ära ist sicherlich die Mercedes-Benz Kompaktklasse (W201), die erfolgreich neben allen technischen Qualitäten auch die Designwerte von Mercedes-Benz in die damals so genannte Kompaktklasse trägt. Sacco selbst sagt, dass „der 190er das ideale Beispiel für die Verbindung von Innovation und Tradition ist, abgesehen von der S-Klasse. Der 190er war das Fahrzeug, das viele Menschen davon überzeugte, dass Mercedes-Benz zu einem Wandel fähig ist“. Gleichzeitig ist der W 201 nach T-Modell (S123) und Geländewagen (Baureihe 460) der erste Schritt zur Auffächerung der Marke in viele Segmente, die dann in den 1990er-Jahren systematisch als Modelloffensive betrieben wird. Dafür stehen etwa der SLK (R170), die V-Klasse (Baureihe 638), die A-Klasse (Baureihe 168), der CLK (Baureihe 208) und die M-Klasse (Baureihe 163). Starke Designakzente setzen zudem Forschungsfahrzeuge wie der C 112, der F 100 (1991), der F 200 Imagination (1996) und der in jeder Hinsicht außergewöhnliche F 300 Life-Jet (1997). Und selbstverständlich ist es immer wieder die S-Klasse, welche die Marke – und die Branche – prägt. Unter Bruno Sacco sind es neben der Baureihe 126 auch die Baureihen 140 und 220.
1993 wird Bruno Sacco als Leiter Design Mitglied des Direktorenkreises des Unternehmens. In dieser Eigenschaft übernimmt er auch eine Mandatsfunktion für die Gestaltung der Produkte des Geschäftsfelds Nutzfahrzeuge. Im März 1999 übergibt Bruno Sacco nach 41 Jahren im Mercedes-Benz Design die Bereichsleitung an Peter Pfeiffer.
In den Jahren seiner Tätigkeit für Daimler-Benz erhält Bruno Sacco zahlreiche persönliche Auszeichnungen. So wird er unter anderem 1985 Honorar-Mitglied der „Academia Mexicana de Diseño“. 1991 wird ihm der Orden „Grande Ufficiale dell’Ordine al Merito della Repubblica Italiana“ verliehen, 1993 in Turin der „Cover Award – Auto & Design“. 1994 wird er mit dem „Premio Mexico“ (Patronato Nacional de las Asociaciones de Diseño AC, Mexico) ausgezeichnet, 1994 mit dem „Apulia Award for Professional Achievement“, 1996 als „Best Designer“ und zugleich als „Designer’s Designer“ der Zeitschrift „Car“.
1997 wird ihm in Detroit der „Lifetime Design Achievement Award“ verliehen, ebenfalls 1997 der „Raymond Loewy Designer Award“ der Marke „Lucky Strike“. 2002 verleiht ihm die Universität Udine die Ehrendoktorwürde. 2006 erfolgt die Aufnahme in die Automotive Hall of Fame in Dearborn, 2007 die Aufnahme in die European Automotive Hall of Fame in Genf.
Fotos: Daimler AG*
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Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Dienstag, den 28. November 2017 um 00:05 Uhr | 4.918 Besuche
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