2016
Einmal Staatsmann spielen, einen auf dicke Hose machen, Herr Gernegroß sein? Mit einer 20 Jahre alten Luxus-Limousine ist das durchaus möglich. Die edlen und dicken Schlitten der 1990er-Jahre bieten auch heute noch hohen Komfort und Status. Zudem sind sie heute richtig günstig. Doch Wartungs- und Reparaturkosten der damaligen Hightech-Produkte können den Zeitwert schnell übersteigen.
Die Mode mag derzeit dicken Geländewagen und Kombis den Vorzug geben – doch wer Rang und Namen hat, fuhr und fährt Oberklasse-Limousinen. Während die Staatsmänner und -frauen der 1990er-Jahre längst in Pension sind, fahren diese Autos noch heute. Auf den Gebrauchtwagenmärkten stehen sie zu Hunderten.
Autos, deren Motorisierung auch heute noch beeindruckt, mit allen erdenklichen technischen Finessen ausgestattet und dazu noch mit einem beeindruckenden Erscheinungsbild widerspiegelte. Bescheidenheit gehörte einst nicht zu den Tugenden dieser Klasse und Epoche.
Ganz ohne den Etat eines Ministeriums kann man sich heute eines dieser Fahrzeuge leisten, zumindest in der Anschaffung. Denn der Wertverlust hat die einst sechsstelligen Summen, die diese majestätischen Modelle einst kosteten, längst drastisch reduziert.
Was dagegen anhält: Der Fahrkomfort, den diese Dickschiffe auch heute bieten: Neben riesigen Motoren mit sehr viel Leistung ist das eine Ausstattung, die an Fünf-Sterne-Hotels erinnert. Feine Ledersitze und ein Interieur aus Wurzelholz etwa sind Serie, mitunter auch ein C-Netz-Autotelefon als Techno-Deko, damals höchst exklusive elektronische Assistenten und ein üppiges Platzangebot auf allen Sitzen. So ein Auto zu fahren hat seinen ganz eigenen Reiz.
Die Auswahl ist überwältigend. Alleine beim Onlineportal mobile.de findet man über 2.000 große Limousinen aus den Baujahren 1990 bis 2005. Eine von ihnen ist die bereits legendäre Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe W140. In diesem Dickschiff (Leergewicht zwei Tonnen) ließen sich in den 1990er Jahren die oberen Zehntausend chauffieren. Zwar passte sie anfangs nicht auf die Autotransportwagen der Deutschen Bahn, was aber nur problematisch war, wenn ein Wochenendtrip nach Sylt anstand.
Für Liebhaber gilt der W140 als so etwas wie der letzte echte Benz, weil es die letzte S-Klasse war, die protzigen Wohlstand ungeschminkt zur Schau stellen durfte. In Fachkreisen zählt die Baureihe bereits als moderner Klassiker. Vor gut 20 Jahren lag der Einstiegspreis für einen S 500 mit Achtzylinder bei fast 140.000 DM. Jetzt gibt es den Edel-Benz schon für gut ein Zehntel des damaligen Neupreises.
Selbstredend hat so ein alter Luxusliner oft einen sechsstelligen Kilometerstand. 200.000 oder gar 300.000 Kilometer sind keine Seltenheit. Oft wurden deshalb auch schon einmal Getriebe und Motor ausgetauscht. Das ist kein Einzelfall, denn hohe Kilometerstände sind bei Oberklasselimousinen die Regel. Nun müssen hohe Kilometerstände aber kein Kaufhindernis sein. Die Sechs-, Acht- oder sogar Zwölfzylinder-Motoren der Premiummarken sind sehr langlebig. Jedoch haben viele der angebotenen Fahrzeuge zum Teil einen erheblichen Wartungs- und Reparaturstau. Denn ihr verhältnismäßig geringer Marktwert lockt oft Käufer an, deren Budget nur für die Kaufsumme reicht. Laufende Wartungs- und Instandhaltungskosten werden aufgeschoben – mit der Folge, dass die einstige Luxus-Limousine bald zur Bruchbude wird.
Bei einem alten gebrauchten Wolfsburger sind Ersatzteile in der Regel günstig und können zudem meist selbst verbaut werden. Bei einer Mercedes-Benz S-Klasse stoßen hingegen selbst talentierte Hobby-Schrauber schnell an ihre Grenzen und ein Besuch der Markenwerkstatt ist erforderlich. Hier bewegen sich die Reparaturkosten jedoch auch auf S-Klasse-Niveau. So kann sich der geringe Einkaufspreis leicht vervielfachen. Der Tausch des Automatikgetriebes kostet zwischen 6.000 und 8.000 Euro. Stoßdämpfer schlagen mit 1.000 Euro pro Stück zu Buche. Die Wartung der Klimaanlage kann bis zu 3.000 Euro kosten. Im Grunde lässt sich das Kostenrisiko auf eine einfache Formel bringen: Je mehr technischer Schnickschnack verbaut ist, desto größer ist die Gefahr folgenschwerer und kostspieliger Defekte.
Wer Interesse an einer Luxuslimousine aus den Neunzigern hat, sollte ein paar Dinge beachten: Das Prädikat „HU neu“ ist schon einmal ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Wagen zumindest technisch in ordentlichem Zustand ist. Bremsen, Beleuchtung, Unterboden – all das wird bei der Hauptuntersuchung geprüft. Von vermeintlichen Schnäppchen mit ein, zwei Monaten „Rest-TÜV“ sollten Laien dagegen die Finger lassen – oder wenigstens einen Experten zur Fahrzeugbesichtigung mitnehmen, der sich mit der Materie auskennt. Empfehlenswert sind zudem Wertgutachten. Wer nur den Kaufpreis auf Tasche hat, sollte sich besser keinen alten Luxusliner holen.
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Montag, den 23. Mai 2016 um 00:05 Uhr | 5.630 Besuche
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