2016
Die aktuelle Mercedes-Benz A-Klasse will mit vielen Traditionen brechen. Wie sieht es mit der Zuverlässigkeit über 100.000 Kilometer aus? Der Kompakte stellte sich dem Dauertest beim Magazin auto motor und sport.
Es passiert mit Ansage, genau so vorhersehbar, wenn Papa seine zweijährige Tochter ins neue Kleidchen steckt, ihr einen Joghurt in die Hand drückt und sagt: „Bitte nicht kleckern“. Also war klar, welches Schicksal der A 180 CDI erleiden würde, der Anfang Dezember 2013 erstmals in der auto motor und sport-Tiefgarage parkte, in leuchtendes Südseeblau-Metallic getaucht – und mit einem Polsterbezug, dessen helle Sitzmittelbahnen mit dem Lack um die Wette strahlten. Es dauerte keine 3.000 Kilometer, bis der erste Fleck den Fahrersitz neu musterte. Natürlich ließ sich bis heute nicht lückenlos aufklären, wer und was genau dafür verantwortlich war. Dabei saßen nur Erwachsene am Steuer, aber lassen wir das.
Den hellen Bezugsstoff jedenfalls sortierte Mercedes-Benz mit der Modellpflege Ende letzten Jahres aus, für die Designlinie Style stehen nun Stoffe mit grünen oder roten Akzenten zur Wahl, der Rest bleibt Anthrazit. Vielleicht besser so. An den Sitzen selbst änderte sich nichts, auch das ist gut so, denn ihr Komfort überzeugte nahezu jeden Fahrer und ließ auch bis zum Testende nicht nach. Die Polsterung empfanden alle als angenehm straff und bequem, einzig die stark nach vorn gewölbten integrierten Kopfstützen passten nicht zu jeder Fahrerstatur, drückten zuweilen unangenehm.
Wie es sonst so um den Langstreckenkomfort der Mercedes-Benz A-Klasse (W176) bestellt ist? Nach den ersten Tests im Jahr der Präsentation 2012 fiel die Erwartung diesbezüglich einigermaßen gering aus, denn die neue Generation sollte nicht nur im Design mit ihren Vorgängern brechen. Mercedes-Benz versprach außerdem eine neue Dimension der Fahrdynamik, die sich der Kompakte mit der langen Nase prompt erschließt, wobei ihm der Federungskomfort jedoch nahezu völlig abhandenkommt. Erst mit der vom CLA übernommenen Dämpfer-Generation besserte sich das, doch die kam erst Mitte 2013 – zu spät für den Dauertestwagen.
Unter dessen Karosserie steckt das sogenannte Komfortfahrwerk mit Tieferlegung, es zählt bei der auf besonders niedrige Emissionen getrimmten Blue Efficiency Edition zum Serienumfang. In Verbindung mit der Standard-Rädergröße 16 Zoll folgt der A 180 CDI prinzipiell seiner straffen Grundauslegung, doch der Federungskomfort reicht aus, um einige Hundert Kilometer am Stück abzureißen, ohne danach ermattet den Physiotherapeuten aufsuchen zu müssen. Das gilt übrigens auch dann, wenn der Mercedes auf 17-Zoll-Winterrädern unterwegs ist. Und lange Strecken liegen ihm, denn auf Basis des über die gesamte Testdauer errechneten Durchschnittsverbrauchs von 5,9 l/100 km ergibt sich eine Reichweite von 847 Kilometern.
Um dabei nicht die Orientierung zu verlieren, wurde das Comand-Navigationssystem mitbestellt, das – gemessen am Aufpreis von über 3.300 Euro – einen überschaubaren Gegenwert bietet. Ja, es navigiert zuverlässig, doch weder erweist sich die Kartendarstellung als besonders detailliert, noch reagiert die Stauerkennung ausgesprochen pfiffig. Wenigstens rechnet es fix und lässt sich über hervorragende Sprachsteuerung gut bedienen – ebenso wie das Mobiltelefon, das leicht angedockt werden kann.
Was steckt sonst noch an Assistenzsystemen im Testwagen? Das aufpreispflichtige Spurpaket, das Totwinkel- und Spurhalteassistent kombiniert. Beide arbeiten unauffällig. Der serienmäßige Müdigkeitswarner indes erweist sich als übervorsichtig, und auch der Kollisionswarner sieht gelegentlich Gespenster, vorwiegend auf der Autobahn, piept dann kurz hysterisch – erkennt aber den Irrtum und unterlässt eine Notbremsung.
Ansonsten frisst der A 180 CDI unermüdlich Kilometer, zum großen Fleck auf der Fahrersitz kommen noch ein paar kleine dazu, alle erweisen sich als erstaunlich resistent gegen Polsterschaum. Erst ein Besuch beim Aufbereiter hilft. Was er gemacht hat? Wollte der Profi nicht verraten. Andere Verschleißerscheinungen treten im Interieur nicht auf, die Qualität bleibt auf hohem Niveau, wenngleich ein paar Kollegen wohl den S-Klasse-Maßstab anlegten und eine mäßige Materialqualität monierten. Im Konkurrenzumfeld fällt die A-Klasse diesbezüglich zwar nicht ab, allerdings gibt es auch liebevoller eingerichtete Wettbewerber.
Ähnliches lässt sich über den von Renault zugekauften Dieselmotor sagen, denn das 1,5-Liter-Triebwerk zählt sicher nicht zu den Höhepunkten in der Geschichte des Motorenbaus, macht aber einen guten Job. Dazu muss man dem 109 PS starken Vierzylinder erst über seine Anfahrschwäche hinweghelfen, bevor er dann etwas rau, aber zufrieden weiterbrummt. Das leicht und exakt bedienbare Sechsgang-Schaltgetriebe bekam an erster Stelle die Aufgabe des Spritsparens ins Lastenheft diktiert, die es vorbildlich erfüllte. Falls der Fahrer allerdings mal weder Sprit noch Fahrspaß sparen möchte, sollte er sich nicht zu sehr auf die Kraft des maximalen Drehmoments von 260 Nm bei 1.750/min verlassen, sie schäumt eher im Verborgenen.
Das bedeutet also: schalten, häufig schalten. Und dann das agile Handling des A 180 CDI genießen, denn das hat er wirklich drauf. Engagiert wirft er sich in Kurven, lenkt flink ein, seine Karosserie gerät dabei nicht zu sehr in Bewegung. Er folgt dem Kurvenradius leicht untersteuernd, was an den rollwiderstandsoptimierten Reifen liegt. Schnell findet der Fahrer seinen Rhythmus, die gute Ergonomie und die präzise, wenngleich etwas zu leichtgängige Lenkung helfen dabei.
Ja, jetzt wäre ein bisschen mehr Dampf schon schön, das Fahrwerk käme jedenfalls locker damit zurecht, es langweilt sich mit dem 1,5-Liter-Motor arg. Der 136 PS starke A 200 d, wie er seit der Modellpflege heißt, mit 2,1 Litern Hubraum kostet 833 Euro mehr – vermutlich eine sinnvolle Investition. Das gilt übrigens auch für die Bi-Xenon-Scheinwerfer (aktuell: LED-Technologie), denn die Halogen-Leuchten funzeln schon ziemlich trübe in die Nacht.
Zu viel Geld? Okay, dann lieber das Navi sparen. Und den Spurhalteassistenten. Aber bitte nicht die Parksensoren, denn die Mercedes-Benz A-Klasse ist aufgrund ihres Designs bemerkenswert unübersichtlich, speziell nach schräg hinten. Das stört offenbar die wenigsten Käufer, die dritte Generation des Kompaktwagens zählt zu den Verkaufsschlagern. Die Kunden freuen sich über eine A-Klasse, die mit vielen Traditionen bricht – auch was die Zuverlässigkeit betrifft, denn der Vorgänger schnitt im Dauertest erheblich schlechter ab, musste dreimal außerplanmäßig in die Werkstatt. Das aktuelle Modell dagegen fährt fehlerlos auf Platz 1 seines Segments – das konnten selbst die fiesen Flecken auf den Sitzen nicht verhindern.
Die aktuelle A-Klasse soll nichts mehr mit ihren Vorgängern gemeinsam haben – zumindest nicht, was das Design und das Fahrerlebnis betrifft. Diesen Anspruch erfüllt der A 180 CDI voll und ganz, denn die meisten Fahrer fanden Gefallen an der hohen Agilität. Das Fahrwerk ist mit dem eher zähen, dafür genügsamen 1,5-Liter-Dieselmotor jedenfalls ziemlich unterfordert. Zum Spritsparen gibt das Infodisplay gute Tipps. Ebenfalls hilfreich: die Rückfahrkamera, denn das Design geht auf Kosten der Übersichtlichkeit und des Platzangebots. Dafür entschädigt der Kompakte mit bequem gepolsterten Sitzen, einem leicht und exakt schaltbaren Sechsganggetriebe sowie einem vor allem über die Sprachsteuerung leicht bedienbaren Infotainment-System.
Was die Anschaffungskosten betrifft, darf sich der A 180 CDI getrost das Premium-Siegel auf die fesche Karosserie pappen. Dafür bedankt sie sich beim Käufer mit hoher Zuverlässigkeit, agilem Handling und sparsamem Antrieb. Schafft nicht jeder.
Quelle & Fotos: auto-motor-und-sport.de
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Sonntag, den 20. November 2016 um 00:05 Uhr | 4.618 Besuche
Abgelegt unter A-Klasse
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