2011
Bis heute gilt der im März 1989 auf dem Genfer Automobilsalon vorgestellte Mercedes-Benz SL (R129) als einer der unproblematischsten Fahrzeuge von Mercedes-Benz. Fachkundige und regelmäßige Wartung vorausgesetzt, läuft der elegante und sportliche Roadster störungsfrei bis ins hohe Alter.
Das V8-Aggregat des 500 SL stellt auch die eigentliche Empfehlung für den Roadster dar. Der aus den Limousinen bekannte Motor begann seine Karriere als Vierventiler mit 326 PS und lief ab 1998 als Dreiventiler mit 306 PS vom Band. Dank eines satten Drehmoments von 530 Nm kommt der Wunsch nach mehr Durchzugskraft erst gar nicht auf. Zu der beeindruckenden Performance, dem dezenten aber wahrnehmbaren V8-Sound und der hohen Laufruhe, gesellt sich eine mustergültige Zuverlässigkeit. Bei hohen Laufleistungen kommt es jedoch hin und wieder zur Ermüdung der Steuerkette, defekten Luftmassenmessern und minimalen Ölleckagen.
Eine ähnliche Zuverlässigkeit bietet der Reihensechszylinder, den es zunächst im Mercedes-Benz 300 SL als Zweiventiler mit 190 PS gab. Diese und auch die späteren Mehrventilversionen 280 SL und 320 SL leiden manchmal unter undichten Zylinderkopfdichtungen sowie brüchigen Motorkabelbäumen. Im fortgeschrittenen Stadium verursachen diese defekten Kabel Kurzschlüsse, bei denen das Motorsteuergerät in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Den späteren V6-Motoren sind hingegen solche Probleme völlig fremd. Sie verrichten ihren Dienst nahezu störungsfrei.
Bis auf den mit einem Schaltgetriebe erhältlichen Mercedes-Benz SL 280 sorgen Vier- oder Fünfgangautomatikgetriebe für die Kraftübertragung an die Hinterräder. Die Automaten sind unempfindlich gegen Störungen. Lediglich bei dem elektronisch gesteuerten Fünfganggetriebe streikt bisweilen die fünfte Fahrstufe oder der Rückwärtsgang.
Kommt es bei Lastwechseln zu einem Schlagen aus dem Kardantunnel, sind entweder die Hardyscheiben oder das Wellenmittellager verschlissen. An der Hinterachse kann ein schwitzendes Differential für Diskussionen mit dem TÜV-Prüfer sorgen, während die aufwändige Mehrlenkerhinterachse kaum Probleme macht. Die gibt es eher an der stark belasteten Vorderachse, wo ausgelutschte Stoßdämpfer, verschlissene Schwenklager der Querlenker und poröse Gummibuchsen der Stabilisatorenaufhängung dem SL schnell ein schlingendes Fahrverhalten verleihen. Insbesondere der Ersatz der Schwenklager ist kostenintensiv, da diese nur komplett mit den Gussquerlenkern gewechselt werden können.
Wer schnell fährt, sollte auch gut Bremsen können. Der R129 verfügt neben einem ABS (ab 1995 auch ESP lieferbar) über vier Scheibenbremsen. Doch trotz des hohen Gewichtes und der stattlichen Fahrleistungen, zeigt sich die Anlage von ihrer besten Seite. Die Bremsscheiben halten erstaunlich lange. Einzige Auffälligkeit könnte der zu lange Weg der Fußfeststellbremse sein, die sich aber problemlos nachstellen lässt. Bei Fahrzeugen mit ESP-System kann es durch einen defekten Lenkwinkelsensor zum Ausfall des Systems kommen. Dieser Fehler wird aber dem Fahrer durch ein Aufleuchten der ESP-Kontrollleuchte im Cockpit angezeigt wird.
Von gleicher Unauffälligkeit wie die Technik zeigt sich auch die über die gesamte Bauzeit unveränderte Karosse. Bis zum Modelljahr 1997 ist Rost kein Thema. Danach setzte Mercedes-Benz im Werk Bremen wasserlösliche Lacke ein. Bei diesen Fahrzeugen kann es mitunter zur Verbreitung der braunen Pest an Sicken und Kanten kommen. Besonders kontrollieren sollte man die unter den Kunststoffschwellerabdeckungen verborgenen Wagenheberaufnahmen sowie den Kanten der Bleche im Motorraum.
Drängen Sie beim Kauf eines gebrauchten Mercedes-Benz SL auf eine Funktionsprüfung des Softtops, auch wenn der Verkäufer das Hardtop montiert hat. Denn die komplexe Steuerung leidet unter defekten Steuergeräten oder unter fehlerhafter Einstellung. Eine Reparatur ist nur etwas für Spezialisten. Der Verdeckstoff ist in der Regel bei allen SL schon mindestens einmal getauscht worden, da vor allem die seitlichen Dreiecksscheiben unter dem jahrelangen Knicken beim Zusammenfalten leiden. Zwar kann man die Scheiben mitsamt der hinteren Verdeckhälfte einzeln kaufen, doch in der Regel ist auch der Rest des Verdecks in diesem Stadium bereits stark verschlissen.
Die häufig vorhandenen Extras von der elektrischen Sitzverstellung mit Memoryfunktion bis hin zur originalen Standheizung sollten im Rahmen der Besichtigung ausnahmslos geprüft werden. Überraschungen sind aber auch hier eher selten zu erwarten.
Der Mercedes-Benz SL war in seiner Bauzeit das Aushängeschild einer anspruchsvollen Automobilgesellschaft, und er hat bis heute nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Noch immer wirkt der Roadster wie ein rollender Kontoauszug, auch wenn er mittlerweile für einen Bruchteil seines Neupreises zu haben ist. Für mindestens 15.000 € hat man in der Regel freie Auswahl und es ist im Wesentlichen Geschmacksache, ob man sich für ein Modell der ersten oder der letzten Serie entscheidet. Nur original sollte es sein!
Im Gegensatz zu seinen zeitgenössischen Konkurrenten profitiert der Mercedes-Benz SL in Sachen Unterhalt von der Nähe zur Großserie. Der Verbrauch aller Modelle, bis auf den V12, liegt auf zeitgemäßem Niveau. Versicherung und Steuer sind auch für Normalverdiener keine unüberwindliche Hürde. Da fügt es sich, dass dank des zum serienmäßigen Lieferumfang gehörenden Hardtops des R129 problemlos das ganze Jahr vor der Haustür geparkt werden kann. Weitere Informationen rund um den R129 sowie eine kompakte Kaufberatung für SL-Suchende bietet der R129 SL-Club.
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Dienstag, den 04. Januar 2011 um 20:36 Uhr | 39.938 Besuche
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