2018
Wer alles über ein Auto wissen will, kann sich tief in die technischen Datenblätter einarbeiten oder es findet sich ein Autor, der die Geschichte minutiös aufschreibt. Wenn er dann noch Seitenblicke zulässt, kann das recht unterhaltsam sein. Es gibt wohl kein Auto bei Mercedes-Benz, dem nicht in irgendeiner Form eine Nähe zum SL 300 zugeschrieben wird. Das gilt für die heutigen Fahrzeuge ebenso wie für die aus vergangenen Zeiten, wie zum Beispiel für den SLK. In seinem Buch mit dem schlichten Titel „Mercedes-Benz SLK & SLC“ nimmt Autor Michael Allner die Leser mit auf eine Reise durch sämtlich Zeiten, Entwicklungsstufen und Eigenheiten des Roadsters.
Begonnen hat alles Anfang der 90er-Jahre, als 20 Designer unter Leitung von Bruno Sacco den Auftrag erhielten, für einen Roadster eine Form zu schaffen, die Vergangenheit und Moderne in sich vereinen soll. Im April 1994 präsentiert Mercedes auf dem Turiner Autosalon die Studie zum SLK. Wobei das Kürzel für sportlich, leicht und kurz steht. Der eigentliche Clou war aber – und das wird erst mit der zweiten Studie in Paris klar – das Stahlklappdach. Daimler bezeichnet diese Erfindung seinerzeit als Variodach.
Elektrohydraulisch angetrieben, öffnet und schließt es sich in 25 Sekunden. So lange will heute kein Mensch mehr warten, aber für die damalige Zeit ist das so verheißungsvoll wie Tempo 310. Zudem ist mit dem SLK und seinem Hardtop das Ganzjahres-Cabrio geboren. Für die Käufer geht das Dach aber erst 1996 auf. Erneut in Turin präsentiert, geht der Mercedes-Benz SLK im September ab 52.900 D-Mark in Kundenhand über. Im gleichen Jahr bekommt der SLK ernste Konkurrenz. BMW lässt den Z3 von der Leine und Porsche schickt den Boxster ins Rennen.
Natürlich ist der SLK voll mit Neuerungen, die Allner in seinem Buch nicht unerwähnt lässt. Da finden die Antriebe ebenso Erwähnung wie der Umstand, dass für den Bau der Karosserie Magnesium verwendet wird oder dass statt eines Reserverades lediglich noch eine elektrische Luftpumpe und ein Reifendichtmittel namens Tirefit an Bord sind. Auch die neuen Sicherheitsstandards finden Erwähnung. Da sind nicht nur die innenliegenden Rohre in der A-Säule oder die Rohrverstärkungen in den Türen, sondern auch die Sensormatten im Beifahrersitz, die den Airbag erst bei Belastung scharf machen. Natürlich dürfen auch die Scheinwerfer, die jetzt durch Kunststoff statt Glas strahlen, nicht unerwähnt bleiben oder die Raumlenker-Hinterachse, die der SLK aus der C-Klasse übernimmt. Das alles ist wichtig und sicher nicht uninteressant, könnte aber Leser mit weniger Bezug zum SLK verschrecken.
Um das zu verhindern, gibt der Autor in einzelnen Kapiteln unter der Überschrift „Seitenblick“ recht unterhaltsam Weiterführendes preis. Zum Beispiel, dass es das erste einklappbare Stahlklappdach bereits 1927 gibt. Letztlich ist es aber wohl der französische Zahnarzt Georges Auguste Paulin, der 1934 in einem Peugeot 401 ein einteiliges Blechdach präsentiert, das sich elektrohydraulisch in nur 30 Sekunden im Kofferraum versenken lässt. Bei der Präsentation auf dem Pariser Autosalon sollen den Menschen bei diesem Anblick die Münder offen gestanden haben.
Spannend ist auch die Geschichte um den US-amerikanischen Multimillionär Jim Rogers. Der lässt sich im Jahr 1996 für eine Weltreise einen Mercedes GLK bauen. Allerdings steht dieses Kürzel nicht für den im Jahr 2008 eingeführten X 204, sondern beschreibt die Kreuzung aus einem SLK und einer kurzen G-Klasse. Für den Weltenbummler setzt Projektleiter Gerhard Steinle einfach die Karosserie eines SLK auf das Chassis eines G. Heraus kommt ein Auto, das es heute in adaptierter Form ganz regulär bei anderen Herstellern gibt. Die verschärfte Form ist wahrscheinlich das Land Rover Evoque Cabrio.
Ein weiteres Highlight in der Entwicklung des SLK ist das Topmodell, das mit dem SLK 32 AMG im Jahr 2001 vorfährt. Für 56.840 D-Mark bekommt der Kunde ein Power-Cabrio mit einem 3,2-Liter-V6 der dank Kompressoraufladung satte 354 PS leistet. Die Höchstgeschwindigkeit wird wie noch heute üblich bei 250 km/h abgeregelt. Von der AMG-Variante werden in zwei Jahren immerhin 4.333 Fahrzeuge verkauft. Der Erfolg des SLK strahlt ab.
Die Ehe zwischen Daimler und Chrysler gebiert nämlich den Crossfire, dessen Basis der R 170 liefert. Um genau zu sein, ist es der SLK 320 mit seinem 3,2-Liter-V6 und 218 PS der den Crossfire beflügelt. Im Jahr 2003 überschlägt sich die US-Presse förmlich, als das erste Coupé präsentiert wird, weiß Allner zu berichten. Beworben wird das Gemeinschaftsprojekt mit dem Slogan: „Route 66 meets the Autobahn“. Bei aller Euphorie der Fachpresse bleiben die Absatzzahlen verhalten und die Produktion des Crossfire wird 2007 eingestellt. Im gleichen Jahr wird auch die Ehe zwischen Daimler und Chrysler geschieden.
Für die Macher des SLK kein Grund zur Trauer. Der jetzt als R 171 weitergeführte Roadster erfreut sich weiterhin größter Beliebtheit. Um die Publicity zu erhöhen und die Nähe zum Rennsport zu verdeutlichen, verpassen ihm die Designer eine Motorhaube, die sich an den „Nasen“ der Formel-1-Boliden orientiert. Zudem wird der SLK 55 AMG als Safety Car in der Königsklasse eingesetzt. Um aber die schnellsten Autos der Welt nach einem Crash im Zaum zu halten, muss selbst der Affalterbacher Flitzer modifiziert werden. Allerdings nicht bei der Motorisierung: Unter der Haube tobt ein 5,5-Liter-V8 mit 360 PS, der den Wagen in 4,9 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Die Höchstgeschwindigkeit lässt die Tachoskala erahnen, die erst bei 320 km/h endet. Dennoch benötigt der SLK 55 AMG für den Rundkurs breitere Reifen und eine straffere Fahrwerksabstimmung. Außerdem muss er 100 Kilogramm abspecken.
Letztlich fährt Mercedes-Benz seit 1996 mit seinen Safety Cars bei der Formel 1 vorne weg. Die Boliden selbst sind seinerzeit hingegen nicht so erfolgreich. Damals fahren die Stuttgarter noch mit McLaren zusammen. Im Jahr 2004 ist für Kimi Räikkönen, der das Cockpit mit dem Stern besetzt, nicht mehr als Platz sieben drin. Weltmeister wird Michael Schumacher mit Ferrari. Ein Jahr später sieht es besser aus. Räikkönen wird hinter Fernando Alonso im Renault zweiter. Schumacher belegt Rang drei.
Die Geschichte des SLK bleibt von diesen Ereignissen nicht unberührt. In den SLK 55 AMG Black Series hält ein gerüttelt Maß an Rennsporttechnik Einzug. Der V8 leistet jetzt 400 PS und ein Gewinde-Sportfahrwerk hält den Roadster in der Spur. Allerdings steigt auch der Preis auf üppige 107.300 Euro. Wer es wissen will, wird im weiteren Verlauf des Buches vom Autor über sämtliche, Sondermodelle, Motor-Modifikationen und neue Designelemente bis ins letzte Detail informiert.
Der nächste größere Sprung ist die Einführung der Baureihe R 172 im Jahr 2011. Im Rahmen des Festaktes zu „125 Jahre Automobil“ wird der neue SLK präsentiert: Länger, breiter und im Design endlich erwachsen erinnert er in seiner Formsprache nun wieder an den 190 SL der 1950er-Jahre. Aber nicht nur das, er nimmt auch das Design des kommenden SL vorweg. Hinzu kommen auf Wunsch ein lichtdurchlässiges Variodach, drei Fahrwerksvarianten, ein intelligentes Lichtsystem und eine ganze Armada an Sicherheitsassistenten. Der V8 im SLK 55 AMG kann jetzt für Sparmaßnahmen vier seiner Zylinder im Gleitflug stilllegen, leistet aber bei Bedarf 422 PS.
Der „Seitenblick“ informiert an dieser Stelle dann auch über die Filmkarriere des SLK. Die ist nicht ganz so aufregend wie die des SL, aber immerhin durfte der kleine Bruder mit Cameron Diaz in „Bad Teacher“ fahren, hatte Auftritte in fast jedem Rosamunde-Pilcher-Streifen und bekam eine Rolle in „The Simpsons“. Als nämlich Kirk van Houten, ein Freund von Homer Simpson, geschieden wird, kauft er sich einen SLK. Und wer dann richtig hinter die Kulissen des Roadster blicken möchte, der liest das Interview, dass Allner mit dem Leiter der Konstruktion Jürgen Frank geführt hat. Bis zu seinem Renteneintritt im Jahr 2016 hat der Mann 24 Jahre die Entwicklung des SLK maßgeblich mitbestimmt.
Mag der Titel des Buches auch etwas sperrig, die vielen Details nicht jedermanns Sache sein, hat es Allner doch geschafft in Summe ein Buch zu liefern, das recht unterhaltsam über die Geschichte eines der weltweit meistverkauften Roadsters informiert. „Mercedes-Benz SLK & SLC – Alle Generationen, alle Baureihen“ ist online erhältlich.
Fotos: Daimler AG*, Text: n-tv.de*
* Keine Abmahnung ohne vorherige Kontaktaufnahme: Im Falle von wettbewerbsrechtlichen, domainrechtlichen, urheberrechtlichen oder ähnlichen Problemen bitten wir Sie, uns zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreite und Kosten bereits im Vorfeld zu kontaktieren. Wir garantieren, dass zu Recht beanstandete Passagen unverzüglich entfernt werden, ohne dass von Ihrer Seite die Einschaltung eines Rechtsbeistandes erforderlich ist. Die Kostennote einer anwaltlichen Abmahnung ohne vorhergehende Kontaktaufnahme mit uns wird im Sinne der Schadensminderungspflicht als unbegründet zurückgewiesen und gegebenenfalls Gegenklage wegen Verletzung vorgenannter Bestimmungen erhoben.
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Dienstag, den 02. Januar 2018 um 00:05 Uhr | 6.646 Besuche
Abgelegt unter Literatur
Kommentar schreiben oder Diskussion führen
Diesen Beitrag als PDF speichern
RSS-Feed ·
RSS 2.0 Kommentar-Feed ·
Permalink