2016
Die größte Motorenoffensive in der Geschichte von Mercedes-Benz geht 2017 in ihre entscheidende Phase: Nach dem im Frühjahr 2016 eingeführten neuen Diesel-Vierzylinder debütieren im kommenden Jahr gleich vier weitere Mitglieder der völlig neuen Motorenfamilie: Reihen-Sechszylinder als Diesel und Otto, ein neuer Vierzylinder-Ottomotor sowie ein neuer Biturbo-V8. Gleichzeitig haben richtungsweisende Technologien wie der Integrierte Starter-Generator (ISG), das 48-Volt-Bordnetz und der elektrische Zusatzverdichter (eZV) ihre Weltpremiere. Die Abstimmung auf die Fahrzeuge erfolgt auf den hochmodernen Prüfständen im ebenfalls neuen Antriebsintegrationszentrum (AIZ) in Sindelfingen.
„Stärker, sparsamer und sauberer – die neue modulare Motorenfamilie von Mercedes-Benz bietet für jedes Fahrzeug den richtigen Antrieb“, sagt Prof. Dr. Thomas Weber, 62, als Daimler-Vorstand verantwortlich für Konzernforschung der Daimler AG und Mercedes-Benz Cars Entwicklung. „Die konsequente Optimierung unserer Hightech-Motoren spielt in der Roadmap für nachhaltige Mobilität eine entscheidende Rolle. Dabei müssen sie auch auf alle aktuellen und zukünftigen Anforderungen hin konstruiert sein. Ein entscheidender Erfolgsfaktor dabei ist die umfassende Elektrifizierung des Antriebsstrangs.“
Konsequent elektrifiziert: Neuer Reihensechszylinder-Ottomotor M 256
Beispielhaft für die Elektrifizierung einschließlich eines 48-Volt-Bordnetzes steht der neue Reihensechszylinder-Ottomotor M 256: Eine neue, intelligente Aufladung unter anderem mit elektrischem Zusatzverdichter (eZV) sowie ein Integrierter Starter Generator (ISG) sorgen für hervorragende Fahrbarkeit ohne Turboloch. Der ISG übernimmt Hybridfunktionen wie Boost oder Rekuperieren und ermöglicht Verbrauchseinsparungen, die bisher der Hochvolt-Hybridtechnologie vorbehalten waren. Unter dem Strich bietet der neue R6 die Fahrleistungen eines Achtzylinders bei viel geringerem Verbrauch. Der neue Ottomotor (interner Code: M 256) startet nächstes Jahr in der neuen S-Klasse.
Durch die konsequente Elektrifizierung entfällt der Riemenantrieb für Nebenaggregate an der Stirnseite des Motors, was seine Baulänge reduziert. Die schmale Bauweise schafft zusammen mit der räumlichen Trennung von Einlass/Auslass Platz für eine motornahe Abgasnachbehandlung. Für Hochverbraucher wie Wasserpumpe und Klimakompressor wird das 48-Volt-Bordnetz ebenso genutzt wie für den Integrierten Starter-Generator (ISG), der zugleich mittels hocheffizienter Rekuperation die Batterie mit Energie speist.
Ein zusätzlicher Bonus ist die unübertroffene Laufkultur des Reihensechszylinders. Leistung und Drehmoment werden im Bereich des heutigen Achtzylinders liegen, also über 408 PS und mehr als 500 Nm. Im Vergleich zum V6-Vorgänger konnten die motorbedingten CO2-Emissionen um ca. 15 Prozent reduziert werden.
Der neue Motor besitzt mit 500 cm3 den gleichen Hubraum pro Zylinder wie die im letzten Jahr vorgestellte Premium-Diesel-Motorenfamilie sowie die Vierzylinder-Otto-Motorenfamilie.
Stärkster Pkw-Diesel in der Mercedes Geschichte: Sechszylinder OM 656
Ebenfalls sechs Zylinder in Reihe hat die neue Spitzenmotorisierung der Premium-Dieselfamilie. Zu den Merkmalen des OM 656 zählen das Stufenmulden-Brennverfahren, die zweistufige Abgasturboaufladung sowie erstmals der Einsatz der variablen Ventilsteuerung CAMTRONIC. Die Konstruktion ist durch die Kombination von Alugehäuse und Stahlkolben sowie die weiter entwickelte NANOSLIDE® Laufbahnbeschichtung gekennzeichnet. Obwohl die Leistung im Vergleich zum Vorgänger OM 642 stark gestiegen ist (über 313 PS statt 258 PS), verbraucht der neue Motor mehr als sieben Prozent weniger.
Der neue Sechszylinder-Dieselmotor OM 656 ist ebenso wie der bereits vorgestellte Vierzylinder OM 654 auf die Erfüllung der zukünftigen Emissionsgesetzgebung (RDE – Real Driving Emissions) ausgelegt. Alle für die effiziente Emissionsminderung relevanten Komponenten sind direkt am Motor verbaut. Der integrierte Technologieansatz aus neuem Stufenmulden-Brennverfahren, dynamischer Mehrwege-Abgasrückführung und motornaher Abgasnachbehandlung, erstmals kombiniert mit einer variablen Ventilsteuerung, ermöglicht weiter reduzierte Verbräuche bei niedrigsten Emissionen. Durch die motornahe isolierte Anordnung hat die Abgasnachbehandlung einen geringen Wärmeverlust und günstigste Arbeitsbedingungen. Verstärkt wird dies durch die schaltbare Auslassnockenwelle CAMTRONIC, die die verbrauchsneutrale Aufheizung der Abgasanlage unterstützt.
Zylinderzahl nach Bedarf: Neuer V8-Biturbo Ottomotor M 176
Dynamische Leistungsentfaltung kombiniert mit hoher Effizienz: Der neue Biturbo (interner Code: M 176) zählt zu den sparsamsten V8-Benzinern weltweit. Zu seinen besonderen Merkmalen gehören die Zylinderabschaltung im Teillastbereich sowie die im Zylinder-V angeordneten Turbolader. Der neue V8-Biturbo schöpft aus 3.982 cm3 Hubraum über 476 PS und verfügt über ein maximales Drehmoment von ca. 700 Nm ab 2.000/min. Der neue Motor wird rund über 10 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als sein Vorgänger mit 455 PS. Der neue V8 startet mit dieser Technologie nächstes Jahr in der neuen S-Klasse. Um den Kraftstoffverbrauch zu senken, werden beim neuen M 176 im Teillastbereich mit Hilfe der Ventilverstellung CAMTRONIC vier Zylinder gleichzeitig abgeschaltet. Dadurch werden Ladungswechselverluste verringert und der Gesamtwirkungsgrad der im Verbrennungsbetrieb laufenden vier Zylinder durch Verlagerung des Betriebspunktes zu höheren Lasten verbessert.
Sportliche Literleistung: Neuer Vierzylinder-Ottomotor M 264
Ein Zwei-Liter-Vierzylinder mit einer Literleistung von rund 100 kW: Der neue Toptype-Ottomotor von Mercedes-Benz (interner Code: M 264) stößt in Leistungsregionen vor, die bisher hubraumstarken Aggregaten mit sechs Zylindern vorbehalten waren. Zugleich verbraucht er deutlich weniger Kraftstoff als ein vergleichbarer Sechszylindermotor. Zu den besonderen Kennzeichen des Motors zählen Twinscroll-Abgasturbolader, Riemengetriebener 48-V-Starter-Generator (RSG) und elektrische 48-V-Wasserpumpe.
Der RSG übernimmt auch Hybridfunktionen, was Verbrauchseinsparungen ermöglicht:
- Komfort-Start: Nahezu unmerklicher Start und Hochlauf des Motors
- Boosten im Drehzahlbereich bis 2.500/min
- Rekuperation bis 12,5 kW
- Lastpunktverschiebung: Betrieb in günstigerem Kennfeld möglich
- Segeln mit Motor-Aus
Zugunsten hoher Leistungsausbeute und spontanem Ansprechverhalten setzt Mercedes-Benz bei der Aufladung des Turbomotors auf die Twinscroll-Technologie. Anders als bei herkömmlichen Systemen sind bei einem Twinscroll-Abgasturbolader die Abgaskanäle von jeweils zwei Zylindern im strömungsoptimierten Krümmer zusammengefasst. Dieses Aufladungskonzept ermöglicht durch eine konsequente Flutentrennung der Zylinder ein hohes Drehmoment im Niedrigdrehzahlbereich bei hoher spezifischer Leistung. Weitere Effizienzmaßnahmen sind eine Einlass-CAMTRONIC und ein Paket zur Reibleistungsreduzierung.
Noch sauberer: Serienmäßiger Otto-Partikelfilter
Als erster Hersteller setzt Mercedes-Benz zur weiteren Verbesserung der Umweltverträglichkeit auf den großflächigen Einsatz von Partikelfiltern auch für Benziner. Nach über zwei Jahren positiver Felderfahrung im S 500 werden 2017 weitere Varianten der S-Klasse mit den neuen Ottomotoren M 256 und M 176 mit dieser Technologie ausgerüstet. Danach folgt die schrittweise Umsetzung in weiteren Fahrzeugmodellen.
Der Otto-Partikelfilter reduziert die Emission von feinen Rußpartikeln. Die Funktionsweise: Der Abgasstrom wird in ein Partikelfiltersystem geleitet. Der Filter hat eine wabenförmige Struktur mit wechselseitig verschlossen Ein- und Auslasskanälen. Dadurch wird das Abgas gezwungen, durch eine poröse Filterwand zu strömen. Hierbei kommt es zu einer Abscheidung des Rußes, wobei der Filter unter entsprechenden Fahrbedingungen wieder kontinuierlich regeneriert werden kann.
Neues Antriebsintegrationszentrum (AIZ): Hochmoderne Prüfstände
Mit dem neuen Antriebsintegrationszentrum (AIZ) hat Mercedes-Benz im Sommer 2016 eine der modernsten Prüfstandseinrichtungen der Automobilindustrie in Betrieb genommen. Auf den insgesamt zehn Fahrzeugprüfständen im modernen, komplett neu errichteten Gebäude in Sindelfingen findet unter anderem die Feinabstimmung von Motor und Getriebe statt – Komfort, Dynamik und Agilität werden aufeinander abgestimmt. Zu den Highlights zählen Prüfstände mit hochpräziser Drehmomentmessung direkt an den Rädern des Fahrzeugs sowie ein Prüfstand mit Klimahöhenkammer. Mittels Unterdruck kann dort eine Höhe von bis zu 5.000 Metern bei einer Temperatur von bis zu -30°C dargestellt werden, während das Fahrzeug vollautomatisiert auf einem Rollenprüfstand läuft.
Zehn Fahrzeugprüfstände befinden sich in dem neuen Gebäude im Sindelfinger Mercedes-Benz Technology Center (MTC), um Fahrzeuge und Antriebe aufeinander abzustimmen. Für den Neubau wurden 16.800 m3 Beton verwendet – ein Volumen, das dem Fassungsvermögen von fünf Olympiaschwimmbecken entspricht. Hinzu kamen 2.500 Tonnen Betonstahl. Bei der Konzeption des AIZ wurde auf Energierückgewinnung großen Wert gelegt: 98 Prozent der elektrischen Bremsenergie der Prüfstände wird ins Stromnetz zurückgespeist und zwei Drittel des Jahres erfolgt die Klimatisierung der Prüfstände energieneutral, es wird also keine Energie aus dem gemeinsamen Netz verbraucht. Im Dauerbetrieb aller zehn Prüfstände ließen sich damit rund 7.500 Haushalte mit Strom versorgen.
Erweiterung des Mercedes-Benz Technology Centers
Das neue Antriebsintegrationszentrum ist Teil umfangreicher Erweiterungen und Umbaumaßnahmen des Mercedes-Benz Technology Centers (MTC) in Sindelfingen. Bereits in Betrieb genommen sind der neue Fahrsimulator, die Klimawindkanäle und der Hightech-Aeroakustikwindkanal. Bis 2018 entstehen außerdem ein hochmodernes Technologiezentrum für Fahrzeugsicherheit, ein Elektronikprüfzentrum und ein Rechenzentrum. Das Rechenzentrum ist im Obergeschoss des AIZ untergebracht und nutzt den im Parterre auf den Prüfständen erzeugten Strom direkt, um die Rechner zu betreiben und zu kühlen.
Das MTC ist Hauptsitz der weltweiten Konzernforschung und der Pkw-Entwicklung einschließlich des Designs.
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Donnerstag, den 03. November 2016 um 00:05 Uhr | 6.535 Besuche
Abgelegt unter Motorenbau
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