2014
Willkommen im erlesenen Kreis: Die ersten Exemplare der Mercedes-Benz Baureihe 124 erhalten in diesem Jahr das begehrte H-Kennzeichen und erreichen damit endgültig den Status von jungen Klassikern. Die Baureihe punktet mit diversen Karosserieformen, zahlreichen Innovationen und überzeugt die Kunden weltweit: Zwischen 1984 und 1997 wurden insgesamt mehr als 2,7 Millionen Fahrzeuge produziert.
Die mit Spannung erwartete neue Limousine der oberen Mittelklasse feiert ihre Premiere im November 1984. An den Start geht die neue Baureihe 124 mit den Typen 200 D, 250 D, 300 D, 200, 230 E, 260 E und 300 E. Für den Export nach Italien wird zudem der 200 E gebaut. Beim Debüt im Jahr 1984 folgt Mercedes-Benz in Sachen Typenbezeichnung noch dem klassischen Muster, 1993 erhält die mittlere Baureihe dann den Namen E-Klasse. Die bereits aus der im Jahr 1982 vorgestellten Kompaktklasse W 201 („Baby-Benz“) bekannten Vorder- und Hinterachskonstruktionen sorgen für hervorragende Fahreigenschaften und ein Höchstmaß an aktiver Sicherheit. Dazu gehören einzelnen Dreiecks-Querlenker vorn sowie eine Raumlenker-Hinterachse hinten.
Ästhetisch und technisch ist die mittlere Baureihe durch ihre sachlich-sportliche Linienführung und die Karosserie aus hochfesten Stahlblechen an den kompakten W 201 angelehnt, setzt aber neue Maßstäbe in den Bereichen Technik, Komfort und Design. Für die Formgebung sind Joseph Gallitzendörfer und Peter Pfeiffer im Team von Designchef Bruno Sacco verantwortlich.
Die auf konsequenten Leichtbau entwickelte Karosserie zeigt neue gestalterische Elemente mit sachlich-funktionalen Hintergründen. Zwei typische Designmerkmale sind der trapezförmig weit heruntergezogene Kofferraumdeckel und die schrägen Innenkanten der Rückleuchten. Das ermöglicht eine besonders tief liegende Ladekante für den großen Kofferraum. Charakteristisch ist auch das sich nach hinten verjüngende und an den seitlichen Oberkanten stark abgerundete Heck, das zu einem besonders geringen Luftwiderstand beiträgt. Bei Markteinführung beträgt der cW-Wert je nach Modell 0,29 bis 0,30 – sensationell für die damalige Zeit. Spätere Fahrzeuge erreichen sogar cW-Werte bis zu 0,26. Die aerodynamischen Optimierungen senken den Kraftstoffverbrauch im Vergleich zum Vorgänger deutlich.
Ein zunächst wenig auffälliges, aber innovatives Konstruktionsdetail ist der hubgesteuerte Panorama-Scheibenwischer. Er deckt 86 Prozent der Windschutzscheibe ab – das bis dahin weltweit größte Wischerfeld bei einem Pkw. Durch eine der Drehbewegung überlagerte Hubbewegung sind die oberen Ecken der Windschutzscheibe effizienter freizuwischen als mit einem konventionellen Einarmwischer. Elektrisch beheizte Scheibenwaschdüsen gehören bei allen Modellen der Baureihe zur Serienausstattung.
Die Geschichte der Baureihe 124 ist geprägt von einer bis dahin unerreichten Vielfalt an Modellen und Innovationen. Den Anfang der neuen Karosserieformen markiert die Präsentation des T-Modells auf der Frankfurter Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September 1985. Diese zweite Generation des sportlichen Lifestyle-Kombis von Mercedes-Benz entspricht technisch und stilistisch weitgehend der Limousine – abgesehen von der abweichenden Heckgestaltung. Die Raumlenker-Hinterachse ist beim T-Modell allerdings bereits serienmäßig mit hydropneumatischer Niveauregulierung kombiniert. Weiter stellen die Stuttgarter mit dem T-Modell im Rahmen des „Mercedes-Benz Fahrdynamik-Konzepts“ den automatisch schaltenden Vierradantrieb 4MATIC vor. Das Allradsystem steht für die Sechszylindertypen der Baureihe 124 zur Verfügung.
Im Jahr 1987 erweitert Mercedes-Benz das Typenprogramm nochmals: Zunächst debütiert im März auf dem Genfer Automobil-Salon als dritte Karosserievariante das Coupé, welches im Vergleich zur Limousine einen um 8,5 Zentimeter kürzeren Radstand erhält. Das unterstreicht den sportlichen Charakters des Zweitürers und macht ihn zu einer konstruktiv und formal völlig eigenständigen Karosserievariante. Die Gemeinsamkeiten mit der Limousine beschränken sich auf den Vorbau und die Heckleuchten.
Im September 1989 zeigt Mercedes-Benz auf der IAA in Frankfurt am Main ein komplett überarbeitetes Modellprogramm der mittleren Klasse. Im Vordergrund der Modellpflege stehen die stilistische Überarbeitung der Karosserie und die Neugestaltung des Innenraums. Auffälligstes Erkennungsmerkmal der modellgepflegten Typen sind die seitlichen Flankenschutz-Leisten mit integrierten Längsschweller-Verkleidungen, die bereits zweieinhalb Jahre zuvor bei den Coupé-Modelle Premiere hatten und von Enthusiasten liebevoll-despektierlich „Sacco-Bretter“ genannt werden.
Als vierte Karosserievariante fährt in Frankfurt eine Limousine mit verlängertem Radstand vor. Damit gibt es nach vierjähriger Unterbrechung wieder eine Langversion im Verkaufsprogramm. Entwickelt wird der lange Aufbau in enger Zusammenarbeit mit der Firma Binz in Lorch, die dann auch in der Serienfertigung die Rohbauarbeiten durchführt. Der Radstand wächst um 80 Zentimeter auf 3,60 Meter, auch die Gesamtlänge legt um das gleiche Maß zu. Im Gegensatz zu ihren Vorgängermodellen präsentieren sich die Typen 250 D lang und 260 E lang mit sechs Türen und einer vollwertigen mittleren Sitzbank, die hinsichtlich Sitztiefe und Lehnenhöhe der Fondsitzreihe nahezu gleichkommt.
Im Oktober 1990 steht als neues Topmodell der 500 E auf dem Pariser Auto-Salon im Rampenlicht. Als erstes Modell der mittleren Baureihe ist es mit einem V8-Motor ausgerüstet. Äußerlich ist die Hochleistungs-Limousine erst auf den zweiten Blick von seinen Schwestermodellen zu unterscheiden. Dafür sind die inneren Werte umso beeindruckender: Der 500 E hat einen 326 PS starken Fünfliter-V8-Vierventilmotor, der auf dem bewährten Triebwerk des 500 SL basiert und geradezu atemberaubende Fahrleistungen ermöglicht. So erledigt er den Sprint von null auf 100 km/h in 5,9 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird elektronisch auf 250 km/h begrenzt. Zu den charakteristischen Erkennungsmerkmalen des 500 E gehören dezent verbreiterte Kotflügel, in die Bugschürze integrierte Nebelscheinwerfer sowie 16-Zoll-Leichtmetallräder im Achtloch-Design. Die Karosserie ist gegenüber den restlichen Modellen der Baureihe um 23 Millimeter tiefer gelegt; die Hinterachse verfügt serienmäßig über eine hydropneumatische Niveauregulierung.
Über den Mercedes-Benz 500 E schreibt das Fachmagazin „auto motor und sport“, Deutschland, im Heft 25/1990: „Gutmütig wie ein Märchenonkel, agil wie ein flinker Sportwagen und etwa auch noch komfortabel? Jawohl, das ist die überraschendste Komponente des Fahrwerks. Trotz straffer Abstimmung absorbieren Federn und Dämpfer Unebenheiten so manierlich, dass selbst verwöhnte Zeitgenossen wenig Grund zum Nörgeln haben.“
Im September 1991 kommt als weitere Karosserievariante der Baureihe 124 das 300 CE-24 Cabriolet. Nach genau 20-jähriger Unterbrechung ist damit nun wieder ein viersitziges Cabriolet in der mittleren Klasse verfügbar. Für die Entwicklung des Cabriolets wird das Coupé als Grundlage genommen. Mit hohem konstruktivem Aufwand wird der Zweitürer für die Rolle als offenes Fahrzeug vorbereitet – allein zur weiteren Versteifung der Karosserie müssen rund 1.000 Teile neu konstruiert werden. Insgesamt braucht jedes Cabrio mehr als 130 Kilogramm zusätzliches Blech, um die fehlenden 28 Kilogramm des Coupé-Dachs statisch zu kompensieren. Eigens für das Cabriolet wird ein hinter den Fondsitzen angeordneter Linearbügel entwickelt, der bei einem drohenden Überschlag innerhalb von 0,3 Sekunden nahezu senkrecht nach oben fährt. Er kann jederzeit auf Knopfdruck ausgefahren werden, um den Fondpassagieren als Kopfstütze zu dienen.
Bereits seit 1989 werden die Dreiliter-Sechszylindermotoren für Limousine, Coupé und T-Modell mit Vierventiltechnik angeboten und auch das Cabriolet 300 CE-24 fährt mit diesem leistungsstarken Otto-Triebwerk vor. Im September 1992 wird die gesamte Benzinmotorenpalette gründlich überarbeitet, die Vierzylinder sind nun ebenfalls komplett mit Vierventiltechnik ausgestattet. Als Weltneuheit hält 1993 die Vierventiltechnik auch bei den Dieseltypen mit fünf und sechs Zylindern Einzug. Die neue Technologie gewährleistet nicht nur ein höheres Drehmoment- und Leistungsangebot über einen deutlich erweiterten Drehzahlbereich, sondern senkt auch den Kraftstoffverbrauch unter Volllast um bis zu acht Prozent. Gleichzeitig wird die Partikelemission im Abgas durch den optimierten Verbrennungsablauf um rund 30 Prozent verringert.
Mit dem Verkaufsbeginn der stilistisch überarbeiteten Modellpflege tritt im Juni 1993 für die Baureihe 124 eine neue Nomenklatur in Kraft. Analog zur S-Klasse und zur neuen C-Klasse heißt die mittlere Klasse jetzt E-Klasse. Auch die Typenbezeichnungen folgen damit nun einem modifizierten System, bei dem ein Buchstabenkürzel die Klassenzugehörigkeit dokumentiert. Darauf folgt eine dreistellige Zahl, die nach wie vor auf dem Hubraum basiert. Das früher übliche E als Zusatzkennzeichnung für Ottomotoren mit Einspritzung entfällt, da es keine Vergasermotoren mehr im Programm gibt. Auch auf eine Verschlüsselung der ohnehin ersichtlichen Karosserievarianten wie Coupé und T-Modell wird künftig verzichtet. Bei den dieselgetriebenen Modellen ersetzt ein nachgestelltes „Diesel“ oder „Turbodiesel“ das bisher verwendete D.
Besondere Sportlichkeit versprüht das neue Spitzenmodell E 60 AMG, das der Affalterbacher Haustuner mit einer Sechsliter-Variante des V8-Motors M 119 anbietet. Die Leistung des Boliden beträgt 381 PS bei 5.600/min. Auch Coupé und Cabriolet werden von AMG in der Leistung gesteigert: Die Typen E 36 AMG mit 272 PS bei 5.750/min kommen ebenfalls 1993 auf den Markt. Sie haben einen 3,6-Liter-Motor, der auf dem 3,2-Liter-Aggregat M 104 basiert. Bei den AMG-Modellen wird 1993 die Klassenzugehörigkeit mit einer auf dem Hubraum basierenden zweistelligen Zahl bezeichnet.
Die Produktion der Limousinen der Baureihe 124 endet im August 1995. Das T-Modell wird noch bis 1996 gebaut und auch von den Limousinen-Modellen E 250 Diesel und E 220 produziert Mercedes-Benz bis 1996 CKD-Teilesätze (completely knocked down, vollständig zerlegt) für die Auslandsmontage. Das Cabriolet läuft sogar bis 1997 vom Band. Insgesamt entstehen in dem gut elfjährigen Produktionszeitraum 2.213.167 Limousinen, 340.503 T-Modelle, 141.498 Coupés, 33.952 Cabrios, 2.342 Limousinen mit langem Radstand und 6.398 Fahrgestelle mit Teilkarosserie für Sonderaufbauten: Das sind zusammen 2.737.860 Fahrzeuge – gut 40.000 mehr als vom bisherigen Rekordhalter, der Vorgängerbaureihe 123. Liebevoll gepflegte Exemplare der Baureihe 124 gehören heute zu den beliebtesten Youngtimern der Marke Mercedes-Benz.
Übrigens: Am 10. Oktober 1994 – sprich genau vor 20 Jahren – wird der 10.000ste Mercedes-Benz E 500 ausgeliefert. Der glückliche Kunde ist der ehemalige Rennfahrer Hans Herrmann.
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Donnerstag, den 18. September 2014 um 10:16 Uhr | 5.287 Besuche
Abgelegt unter E-Klasse
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