2013
Das Goodwood Festival of Speed in Südengland feiert 2013 einen runden Geburtstag: Genau 20 Jahre ist es her, dass Charles Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara, das Motorfest 1993 zum ersten Mal ausgerichtet hat. Mittlerweile kommen jährlich mehr als 150.000 Gäste zu dem Festival, das die Kultur des historischen Motorsports mit allen faszinierenden Facetten zelebriert. Dazu zählen moderne Supersportwagen und Grand-Prix-Boliden genauso wie Rallye-Fahrzeuge und 3.000 PS starke Dragster. Bei aller Vielfalt legen die Organisatoren jedoch größten Wert darauf, dass jedes zum Festival zugelassene Fahrzeug Technik, Geist und Stil seiner Epoche repräsentiert und zugleich auch zum Motto des jeweiligen Festivals passt. Den Grundstein für das heutige Festival of Speed legte schon der Großvater des engagierten Rennsport-Enthusiasten und Goodwood-Gastgebers, der für gewöhnlich als Lord March tituliert wird: Der damalige Earl of March und 9. Herzog von Richmond, Freddie March, war in England als Autodesigner, Ingenieur und Rennfahrer bekannt. 1936 richtete er erstmals ein privates Bergrennen im Park von Goodwood House aus. Diese Tradition griff sein Enkel mehr als 50 Jahre später auf.
In 20 Jahren hat sich das Goodwood Festival of Speed zu einem der absoluten Höhepunkte im internationalen Kalender der Automobilkultur entwickelt. Wettbewerbsfahrzeuge und Sportwagen aus allen Epochen führen drei Tage lang eine Sinfonie des Motorsports und der Geschwindigkeit auf. Auch die aktuelle Formel 1, Königsklasse des Rennsports, ist dabei stets vertreten. Seit 2007 ergänzt eine 2,5 Kilometer lange Rallye-Strecke für entsprechende Fahrzeuge den Kurs des Bergrennens. Am 11. Juli 2013 eröffnet zunächst die Präsentation aktueller Serienwagen in der „Moving Motor Show“ das Festival. Vom 12. bis 14. Juli 2013 stehen dann sportliche Fahrzeuge aller Art und aller Epochen im Mittelpunkt. Ebenso wie als Motorsportveranstaltung fasziniert das Festival of Speed aber auch als elegante Flaniermeile zum Thema der Automobilkultur: Von den Boxen, offen für alle Besucher, über Fahrzeugausstellungen auf dem Parkgelände bis hin zu den automobilen Kunstwerken, die der britische Bildhauer Gerry Judah jährlich neu erschafft. Fahrzeugausstellungen mit verschiedenen Schwerpunkten gibt es unter anderem zum Thema „Star Cars“. Zum Besuch laden auch „Cartier‚ Style Et Luxe‘“, das „Cathedral Paddock“, das „Cricket Pitch Display“, das „Formula 1 Paddock“ und das „Michelin Supercar Paddock“ ein. Die Brücke vom historischen Motorsport zur modernen Automobiltechnik schlägt unter anderem der Pavillon „FoS-TECH“ mit einer Ausstellung zu aktuellen Innovationen.
An die glänzenden Rennerfolge der zweiten Silberpfeil-Ära von 1954 und 1955 knüpft Mercedes-Benz Classic beim Goodwood Festival of Speed 2013 an und macht sie mit Demonstrationsfahrten eines W196 R aus der eigenen Sammlung lebendig. Insgesamt existieren von ehemals 14 gebauten Fahrzeugen dieses Typs nur noch 10 Stück: Sechs W196 R gehören zur Sammlung von Mercedes-Benz Classic, hinzu kommen noch Museumsfahrzeuge in Turin, Wien sowie Indianapolis; und das in Goodwood zur Versteigerung aufgerufene Fahrzeuge mit der Fahrgestellnummer 006/54. Passend zum W196 R zeigt Mercedes-Benz Classic auch den Renntransporter „Blaues Wunder“ von 1955 als authentischen Nachbau aus dem Jahr 2001 sowie ein für den Einsatz bei strapaziösen Langstreckenrennen und -rallyes gebautes 300 SLR Coupé. Dieses sogenannte „Uhlenhaut-Coupé“ gelangt zwar nie zum Renneinsatz, wird aber als Test- und Reisewagen des Mercedes-Benz Konstrukteurs Rudolf Uhlenhaut berühmt.
Im Rahmen des legendären Festivals in West Sussex (England) ist außerdem ein Vorkriegs-Silberpfeil W154 am Start. Mit einem Silberpfeil dieses Typs gewinnt Rudolf Caracciola 1938 seinen dritten Europameistertitel im Grand-Prix-Sport für Mercedes-Benz. Zeuge einer noch deutlich älteren Rennsport-Epoche ist der „Prinz-Heinrich-Wagen“ von Benz aus dem Jahr 1910, den Mercedes-Benz Classic originalgetreu und mit dem Anspruch höchster Authentizität restauriert hat. An die Geburtsstunde des Automobils im Jahr 1886 erinnert schließlich ein Benz Patent-Motorwagen. Der dunkelgrüne „Prinz-Heinrich-Wagen“ mit der weißen Startnummer 38 erlebt auf dem Festival sein öffentliches Fahr-Debüt nach der aufwendigen Restaurierung durch die Experten von Mercedes-Benz Classic. Das mehr als 100 Jahre alte Fahrzeug ist ein faszinierender Zeitzeuge der motorsportlichen Innovationen in den frühen 1900er-Jahren. Damals ist die Prinz-Heinrich-Fahrt, benannt nach dem Bruder des deutschen Kaisers, eines der bedeutendsten Rennen in Europa. 1908 richtet der Kaiserliche Automobil-Club das Rennen zum ersten Mal aus, zum Start sind ausschließlich viersitzige Serienwagen zugelassen. Benz & Cie. baut von 1908 bis 1910 eigens für das Rennen konzipierte „Prinz-Heinrich-Wagen“ mit verschiedenen Motorkonfigurationen.
Für die Fahrt im Jahr 1910, die damals vom 2. bis 8. Juni mit 1.945 Kilometer Gesamtstreckenlänge von Berlin über Braunschweig, Kassel, Nürnberg, Stuttgart, Straßburg und Metz nach Homburg vor der Höhe führt, entstehen zehn vollkommen neu konstruierte Benz Spezial-Tourenwagen. Vier davon haben einen Motor mit 5,7 Liter Hubraum, die anderen sechs Fahrzeuge 7,3 Liter Hubraum. Alle Tourenwagen sind mit Kardanantrieb ausgerüstet und haben eine aerodynamisch optimierte Karosserie mit charakteristischem Spitzheck. Nach der aufwendigen Restaurierung des Benz 80 PS Spezial-Tourenwagens aus der Sammlung von Mercedes-Benz Classic durch die eigenen Fachleute erlebt dieser authentische und originale „Prinz-Heinrich-Wagen“ in Goodwood nun seine öffentliche Rückkehr auf die Rennstrecke. Es ist ein weiterer Höhepunkt im Leben eines Fahrzeugs, das von vielen Automobilhistorikern als erster echter Sportwagen eingeordnet wird.
Der Start verschiedener Fahrzeuge von Mercedes-Benz Classic zu Demonstrationsfahrten auf der 1,86 Kilometer langen Bergrennstrecke von Goodwood wird zu den Höhepunkten des Festival-Programms gehören. Der guten und langen Tradition von Mercedes-Benz Classic entsprechend, werden die Rennfahrzeuge der Marke auf der Bergrennstrecke von Goodwood dabei von namhaften Rennfahrern pilotiert. Zu diesen prominenten Markenbotschaftern zählen Rennsport-Asse wie Lewis Hamilton, Hans Herrmann, Jochen Mass, Stirling Moss, Nico Rosberg und Jackie Stewart.
Goodwood Festival of Speed 2013 – die Fahrzeuge von Mercedes-Benz Classic
Benz Patent-Motorwagen, 1886: Der von Carl Benz 1886 zum Patent angemeldete Motorwagen ist das erste Automobil mit Verbrennungsmotor der Geschichte. Benz denkt über die Kategorien der Kutsche hinaus und schafft für seinen Viertaktmotor eine neue Fahrzeugform. Dieses frühe Automobil ist als ganzheitliche Erfindung so innovativ wie der Motor selbst, zu dem unter anderem elektrische Zündung, Kupplung, Vergaser, Wasserkühler und Ausgleichsgetriebe für die beiden Antriebsräder kommen. Angetrieben wird der Patent-Motorwagen von einem liegenden Einzylinder-Viertaktmotor.
Technische Daten Benz Patent-Motorwagen: Baujahr: 1886, Zylinder: Einzylinder-Viertaktmotor mit Summer-Zündung, Hubraum: 954 Kubikzentimeter, Leistung: 0,75 PS bei 400/min, Höchstgeschwindigkeit: 16 km/h
Benz „Prinz-Heinrich-Wagen“, 1910: Der in Goodwood gezeigte Benz „Prinz-Heinrich-Wagen“ ist eines von weltweit nur zwei Fahrzeugen, welche die mehr als 100 Jahre seit ihrem ersten Renneinsatz originalgetreu überlebt haben. Damals werden zehn Benz-Renntourenwagen eigens für die Prinz-Heinrich-Fahrt 1910 neu konstruiert. Das Fahrzeug aus der Sammlung von Mercedes-Benz Classic kommt bei der Prinz-Heinrich-Fahrt 1910 auf dem 11. Platz ins Ziel, danach startet es noch im selben Jahr auch zur Zar-Nikolaus-Tourenfahrt. Den modifizierten Motor, den der Rennwagen für diesen Wettbewerb in Russland erhält, besitzt das Fahrzeug heute noch. Dieser kürzlich von Mercedes-Benz Classic zum Originalzustand restaurierte dunkelgrüne Benz Spezial-Tourenwagen mit der Rennnummer 38 wird von vielen Automobilhistorikern als der erste echte Sportwagen eingeordnet.
Technische Daten Benz „Prinz-Heinrich-Wagen“: Baujahr: 1910, Zylinder: 4 Hubraum: 5.715 Kubikzentimeter, Leistung: 80 PS, Höchstgeschwindigkeit: 126 km/h
Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen (W154), 1938: 1938 tritt eine neue Formel für Grand-Prix-Rennen in Kraft, die nicht mehr das Maximalgewicht des Wagens, sondern den Hubraum als entscheidenden technischen Faktor vorschreibt: Saugmotoren dürfen maximal 4,5 Liter Hubraum haben, bei Kompressormotoren sind es maximal 3 Liter. Außerdem werden neue Gewichtsgrenzen zwischen 400 und 850 Kilogramm vorgegeben. Mercedes-Benz entwickelt für diese Formel den neuen Rennwagen W 154 mit mechanisch aufgeladenem V12-Motor. Die Auslegung von Fahrgestell und Aufhängung orientiert sich am Konzept des Vorjahreswagens, dem überaus erfolgreichen W 125. Mercedes-Benz siegt mit dem W 154 in den für die Europameisterschaft entscheidenden Grand-Prix-Rennen von Frankreich (Manfred von Brauchitsch), Deutschland (Richard Seaman) und der Schweiz (Rudolf Caracciola). In der Gesamtwertung der Meisterschaft 1938 siegt Caracciola vor seinen Mannschaftkameraden von Brauchitsch, Lang und Seaman.
Technische Daten Mercedes-Benz W154: Baujahr: 1938, Zylinder: V12, mit zwei Einstufenkompressoren, Hubraum: 2.962 Kubikzentimeter, Leistung: 453 PS bei 8.000/min, Höchstgeschwindigkeit: rund 300 km/h.
Mercedes-Benz Grand-Prix-Rennwagen (W196 R), 1954 : 1954 kehrt Mercedes-Benz mit einem völlig neu entwickelten Rennwagen in den Grand-Prix-Sport zurück. Der W 196 R erfüllt alle Bedingungen der neuen Grand-Prix-Formel der CSI (Commission Sportive Internationale): 750 Kubikzentimeter Hubraum mit oder 2.500 Kubikzentimeter ohne Kompressor, beliebige Zusammensetzung des Treibstoffs. Zuerst wird eine Stromlinienversion gebaut, weil das Auftaktrennen in Reims sehr hohe Geschwindigkeiten zulässt. Danach folgt die Variante mit frei stehenden Rädern. Für die zweite Saison 1955 steht dieser klassische Grand-Prix-Wagen dann auch mit kürzeren Radständen zur Verfügung. Der Gitterrohrrahmen des W 196 R ist leicht und stabil, das Fahrwerk mit Drehstab-Aufhängung und einer neuen Eingelenk-Pendelachse hinten sowie riesigen turbogekühlten, zunächst innen mittig untergebrachten Duplex-Trommelbremsen unkonventionell gut. Als Antrieb wählen die Ingenieure einen Reihenachtzylindermotor mit direkter Einspritzung und desmodromischer (zwangsweiser) Ventilsteuerung. Juan Manuel Fangio und Karl Kling fahren mit dem W 196 R einen Doppelsieg beim Auftaktrennen 1954 in Frankreich ins Ziel, Fangio wird mit W 196 R Doppelweltmeister in den Jahren 1954 und 1955.
Technische Daten Mercedes-Benz W196 R: Baujahr: 1954, Zylinder: 8, Hubraum: 2.497 Kubikzentimeter, Leistung: Stromlinie 1954: 256 PS bei 8.500/min, Monoposto 1955: 290 PS bei 8.500/min, Höchstgeschwindigkeit: knapp 300 km/h
Mercedes-Benz 300 SLR Coupé (Uhlenhaut-Coupé), 1955: Eigentlich plant Mercedes-Benz für die Rennsaison 1955, den Rennsportwagen 300 SLR grundsätzlich als Coupé zu bauen. Doch die Fahrer entscheiden sich vor allem wegen der erwarteten Lärmentwicklung im Cockpit für einen Roadster. Trotzdem entstehen 1955 unter der Leitung von Rudolf Uhlenhaut auch zwei Coupés. In ihrem Design sind diese 300 SLR-Flügeltürer eng an die Sportwagen des Typ 300 SL angelehnt, sie sollen bei der Carrera Panamericana zum Einsatz kommen. Doch das Langstreckenrennen in Südamerika wird 1955 nicht mehr ausgetragen. So kommen die Coupés nur bei Trainingsfahrten – unter anderem in Schweden, Nordirland und Sizilien – zum Einsatz. Später wird eines der beiden Coupés als Test- und Reisewagen für Rudolf Uhlenhaut mit Straßenzulassung versehen. Als „Uhlenhaut-Coupé“ wird dieser Wagen fast so berühmt wie die auf den Rennstrecken eingesetzten 300 SLR.
Technische Daten Mercedes-Benz 300 SLR Coupé: Baujahr: 1955, Zylinder: 8, Hubraum: 2.982 Kubikzentimeter, Leistung: 310 PS bei 7.400/min, Höchstgeschwindigkeit: 284 km/h
Mercedes-Benz Renntransporter „Blaues Wunder“, 1955: Im Tross der Mercedes-Benz Rennabteilung sorgen 1955 nicht nur die Silberpfeile für Aufsehen, sondern auch eines der für ihren Transport eingesetzten Fahrzeuge: ein Renn-Schnelltransporter, der ab 1954 auf der Basis eines Typ 300 S als Einzelstück gebaut wird. Er dient 1955 für blitzschnelle Sondertransporte zwischen Rennstrecke und Werk, wenn zum Beispiel einer der Rennwagen noch in letzter Minute verändert werden muss oder wenn einer der Silberpfeile einen Unfall hat und bis zum nächsten Rennen möglichst schnell repariert werden soll. Dann sprintet der blaue Schnelllaster mit seiner silbernen Last auf dem Rücken quer durch Europa. „Blaues Wunder“ wird dieses rasante Nutzfahrzeug mit Sportwagen-Genen genannt. Das Fahrwerk des Mercedes-Benz 300 S wird um eine weit nach vorn weisende Kabine ergänzt, deren fließende Formen unter anderem aus Teilen des Typ 180 entstehen. Von der Kabine bis zum voll verkleideten Heck wirkt der Renntransporter wie aus einem Guss, die sonst übliche Trennung zwischen Kabine und Ladefläche ist kaum auszumachen. Angetrieben wird der schnelle Autotransporter von dem Dreiliter-Sechszylindermotor mit Direkteinspritzung, der auch im Sportwagen 300 SL arbeitet. Nach seiner aktiven Zeit wird das Original des Transporters für Fahrversuche eingesetzt und schließlich 1967 verschrottet. 2001 stellt Mercedes-Benz Classic den in siebenjähriger Arbeit nachgebauten Renntransporter als authentische Rekonstruktion vor.
Technische Daten Mercedes-Benz Renntransporter: Baujahr: 1954, Zylinder: 6, Hubraum: 2.996 Kubikzentimeter, Leistung: 192 PS, Höchstgeschwindigkeit: 165 km/h
Fotos: Daimler AG
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Mittwoch, den 26. Juni 2013 um 11:26 Uhr | 5.547 Besuche
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