2012
Im Modellprogramm von Mercedes-Benz nimmt die G-Klasse Professional die Stellung des Hardcore-Geräts ein. Der legendäre Geländewagen hat das Zeug zum Weltenbummler. Im 4wheelfun.de-Supertest musste der „G“ fürs Grobe wieder einmal beweisen, was wirklich in ihm steckt.
32 Jahre und kein bisschen leise – mit der Version G Professional feierte Mercedes-Benz das Jubiläum des kantigen Kult-Allradlers. Dabei ist der pure G nicht wirklich neu, denn beim G 300 CDI Professional handelt es sich um die zivile Variante der Nutzfahrzeug- und Militärbaureihe in der aktuellsten Ausführung, die nun schon seit zwei Jahren auf dem Markt ist. Dem Käufer kann es nur recht sein – was robust genug für den Armee-Einsatz in aller Welt ist, wird in Privathand kaum schwächeln.
Äußerlich unterscheidet sich dieser Geländespezialist nicht vom letzten zivilen 461er-Modell, das 2001 eingestellt wurde. Scheinwerfer ohne die Kunststoffeinfassung des 463er-Baumusters, Stoßfänger mit Zugmaul – wäre da nicht das verräterische Luftansauggitter im Kotflügel und die riesigen Lkw-Rückspiegel, könnte der G Professional auch als perfekt restaurierter Oldtimer aus dem Jahre 1979 durchgehen.
Die olivgrüne Herkunft des 4wheelfun.de-Testwagens offenbart sich spätestens nach dem traditionell schwerfälligen aufwuchten der Fahrertür. Hier präsentiert sich blankes Blech, Nato-Lichtschalter, Ablaufstöpsel im Bodenblech, 24-Volt-Steckdose, kunststoffbezogene Einzelsitze. Nach Pomp und Gloria sucht man im Mercedes-Benz G Professional vergebens, alleine das lederummantelte Airbag-Lenkrad sticht seltsam modern aus dem strengen Umfeld heraus. Der 4wheelfun.de-Testwagen trat nicht mehr ganz so pur an, wie ihn die Preisliste als Basis ausweist. Zum Grundpreis von 66.759 Euro addieren sich Extras im Wert von rund 7.000 Euro (begehbare Motorhaube, Klimaanlage, Radio, elektrisch verstellbare Außenspiegel, Holzverkleidung Laderaum, Geländebereifung auf Leichtmetallrädern) zu einem Gesamtpreis von 73.542 Euro.
Der Verzicht auf jeglichen höherwertigen Komfort schlägt sich gegenüber dem luxuriösen 463er-Modell erstaunlicherweise kaum im Gewicht nieder. Mit gut 2.450 Kilogramm ist er gerade einmal 60 Kilogramm leichter als der mit dem gleichen Motor bestückte G 350 CDI – da zeigt sich einmal mehr, dass beim G vor allem die robuste Mechanik ordentlich wiegt. So fühlt sich der Offroader dann auch an, jeder Handgriff bedarf des Nachdrucks. Vom öffnen und schließen der großen Türen über die Lenkung bis hin zur Bedienung von Lüftung oder Lichtschalter. Leichtgängig oder gar wackelig ist nichts an diesem Wagen.
Dem feschen 463-Bruder hat der Professional-G etwas mehr Raum voraus. Die Einzelsitze hinten bringen den beiden Passagieren bequemere Unterkunft, der Verzicht auf die raumgreifenden Türverkleidungen mit all ihren elektrischen Bedienelementen sorgt für größere seitliche Bewegungsfreiheit. Gegenüber dem Mercedes-Benz G 350 CDI ist der baugleiche Dreiliter-V6-Diesel im G Professional etwas gedrosselt. Hier wirken 400 statt 540 Newtonmeter, 184 statt 211 PS. Die Fahrleistungen sind entsprechend weniger dramatisch als in modernen Geländewagen, allerdings aller Ehren wert. Nach 12,5 Sekunden sind 100 km/h erreicht, die Beschleunigung von 80 auf 120 km/h hakt der G Professional in 10,6 Sekunden ab. Bei 158 km/h wird sanft elektronisch abgeregelt.
Durch den Verzicht auf jegliche Dämmung wird es bei hohen Geschwindigkeiten bauartbedingt unangenehm laut im Innenraum. Dafür ist die auf hohe Beladung ausgelegte Schwerlastfederung – bis zu eine Tonne Zuladung ist problemlos möglich – auch auf Langstrecken genießbar. Lediglich Querfugen und ähnliche kurze Stöße im Straßenbelag lassen die Insassen freudig nicken. Bei gedrosseltem Tempo bleibt außerdem der Durst des kraftvollen Triebwerks erträglich – durchschnittlich genehmigt sich der „G“ 13 Liter Treibstoff. Allerdings sind bei zügiger Fahrweise 20 Liter einzuplanen – ein Tribut an das Leergewicht.
Das Ergebnis des 4wheelfun.de-Supertest:
Unter dem G 300 CDI Professional schlängelt sich die Abgasanlage kunstvoll von rechts nach links über den Rahmen. Auf der Beifahrerseite ragt sie dann unter dem Schweller hervor. Alle relevanten Teile vom Getriebe bis zu einzelnen Steuerleitungen gut geschützt innerhalb der beiden Rahmenlängsträger befestigt. Ein wirklich stabiler Metallschutz behütet Motor und Ölwanne vor gefährlichen Blessuren, der Tank ist ebenfalls in ein Schutzblech gehüllt. Zwei rahmenfeste, massive Schleppösen hinten, das große Schleppmaul in der vorderen Stoßstange – der G-Fahrer ist gerüstet für alle Bergeaktionen.
Die Federung des G 300 CDI Professional ist nicht nur wegen der zwei verbauten Achsstabilisatoren wenig berauschend. Auch durch die Schwerlastfedern leidet der Fahrkomfort. Die Verschränkung misst gut 190 Millimeter – für einen waschechten Offroader mit zwei Starrachsen ein eher mäßiger Wert. Dafür sind die drei Sperren Garantie dafür, dass es auch mit zwei Rädern in der Luft problemlos weitergeht. Beeindruckend: ohne die Trittbretter des 463ers ist der Rampenwinkel ausgezeichnet, selbst steilste Kuppen werden problemlos bewältigt. Der Aufbau ist extrem stabil, selbst in voller Verschränkung öffnen und schließen alle Türen tadellos.
Bei der Fahrt im Geröllhang beim 4wheelfun.de-Supertest lieferte das steifbeinige Fahrwerk keine Glanzleistung ab. Immer wieder verlor ein Rad den Bodenkontakt, der „G“ überbremste im gesperrten ersten Gang, kam ins rutschen. Bei der Bergauffahrt musste das Differenzial mittig und hinten gesperrt werden, weil die hüpfenden Räder sonst wechselseitig durchdrehten. Das leicht unwillige Federverhalten merkte man auch im Fahrzeug, da kamen die Insassen ordentlich in Bewegung beim hin- und herschaukeln.
Gute Arbeit leistete durchweg die Fünfstufen-Automatik zusammen mit dem gedrosselten Motor. Gerade am Hang war die Kraft des Triebwerks besser dosierbar als beim stärkeren G 350 CDI mit der Siebengang-Automatik. Der G Professional reagierte weniger bissig auf den Gaspedal-Befehl, wodurch die Darbietung in den Steigungsbahnen deutlich souveräner war. Ohne Radschlupf fuhr der „G“ auch in der steilsten Steigung an. Die Feststellbremse hielt selbst bei 65% Steigung zuverlässig. Die Bergabfahrt nur mit Motorbremse im gesperrten ersten Gang war ebenfalls eine Gala-Vorstellung. Selbst auf der steilsten Bahn könnte das Motorbremsmoment eventuell knapp reichen, wenn die Reifen genügend Grip hätten. Die BF Goodrich A/T auf dem 4wheelfun.de-Supertest-Testwagen verloren allerdings bei 65% durch überbremsen die Haftung und der schwere G kam etwas ins rutschen. Hier musste dann mit der Fußbremse nachgeholfen werden.
Das Handling des Mercedes-Benz G 300 CDI Professional ist gemächlich. Der Fahrer muss mit einer gefühlten Gedenksekunde leben. Ob es der reichlich schwergängige Dreh am Lenkrad oder die Umsetzung eines Gaspedal-Auftrags ist, der G Professional nimmt sich Zeit um zu reagieren. Besonders bei zackigen Richtungswechseln ist die Geduld des Fahrers gefragt, bis der schwere Offroader den Kurs wechselt. Kraft ist reichlich vorhanden, die Untersetzung ist unnötig. Praktisch dagegen ist, dass mit dem Einlegen der Zentralsperre auch das ABS abgeschaltet wird und entsprechend kurze Bremswege im Sand möglich sind. Da kein ESP verbaut ist, pfuscht dem Fahrer auch keine im Gelände störende Elektronik ins Handwerk.
Bei der Fahrt durch das feuchte Nass hat der G Professional keinerlei Probleme – 60 Zentimeter Wattiefe sind möglich. Das sind zehn Zentimeter mehr als beim zivilen Bruder. Das Wasser reicht dem G bei der höchstmöglichen Wattiefe zwar dann bis zu den Türkanten, die bleiben jedoch mustergültig dicht. Auch die Scheinwerfer und Rückleuchten bleiben dicht. Lediglich die nachgerüsteten Nebelscheinwerfer im 70er-Jahre-Look laufen voll.
Beim Thema Übersichtlichkeit und Wendigkeit holt sich der G 300 CDI Professional keine Goldmedaille. Schon der Wendekreis fällt, bedingt durch Starrachsen und Längslenker, relativ üppig aus. Durch die strenge Kastenform lässt sich der „G“ extrem gut einschätzen, wenn man kurz mit ihm geübt hat, lässt er sich zentimetergenau an Hindernisse heran rangieren. Der Überblick nach hinten, limitiert durch das kleine, zusätzlich vom Ersatzrad verdunkelte Heckfenster könnte aber besser sein. Die Abmessungen sind nahezu identisch zum 463er-G, bis hin zu den Kotflügelverbreiterungen. Obwohl die Außenspiegel am Doppelbügel ziemlich groß wirken, ist der „G“ damit nicht breiter – 198 Zentimeter von einer Spiegelkante zur anderen. Eine feine Sache ist die ungesperrt benutzbare Untersetzung, etwas unkommod beim rangieren wirkt die schwergängige Lenkung.
Die G-Klasse steht da wie eine Burg. Unbeladen bringt der kantige Geländewagen 2.450 Kilogramm auf die Waage. Dieses Gewicht ist auch sein größtes Handicap. Reizt man dann auch noch die mögliche Zuladung aus, werden es 3,5 Tonnen – nun ist der „G“ ein wirklich schwerer Brocken. Daran ändert die spartanische Ausstattung nur wenig. Bei Fahrten durch tiefe Böden ist der „G“ auf seine Sperren angewiesen. Ist die Masse erst einmal in Bewegung, sollte der gewählte Kurs beibehalten werden, denn die Lenkung reagiert wenig spontan. Idealerweise geht es stur geradeaus.
Die Technik des Mercedes-Benz G 300 CDI Professional ist für schwerstes Gelände wie geschaffen. Der Permanenter Allrad, die drei Sperren und das Automatikgetriebe leisten zuverlässig ihren Dienst. Tobt sich der Fahrer abseits der Straße aus, dann sind speziell die Differentialsperren auch nötig. Beim 4wheelfun.de-Supertest im Sandhang gelang es dem „G“, nachdem beide Achsen gesperrt waren, sich aus dem Stand den Hang hinaufzuackern. Zunächst im Schneckentempo, dann mit immer mehr Fahrt. Auffällig: die Tendenz zum Trampeln unter Volllast ist zwar ebenfalls da, aber längst nicht so heftig wie beim stärkeren 463er G-Modell. Der Leistungseinsatz des gedrosselten Dreilitermotors ist außerdem sanfter. Zu beachten ist bei solchen Manövern: überhitzt der „G“, wechselt der Antrieb in den Notlauf und gibt nicht mehr die volle Leistung frei. Erst nach einer entsprechenden Abkühlphase funktioniert der Antrieb wieder problemlos.
4wheelfun.de-Supertest – Fazit: der Mercedes-Benz G 300 CDI Professional zeigt erneut was in ihm steckt! Die Optik: markant und unverwechselbar. Die Technik: robust und zuverlässig. Der Preis: bemerkenswert. Die Performance: im Gelände überragend, auf der Straße überzeugend. Insgesamt hat der Mercedes-Benz G 300 CDI Professional den 4wheelfun.de-Supertest mit Bravour bestanden.
Mercedes-Benz G 300 CDI Professional – technische Daten und Kosten:
Grundpreis 70.091 Euro, Antrieb: 6 Zylinder V-Motor mit 4 Ventilen pro Zylinder, Hubraum: 2.987 cm³, Leistung: 224 PS (165 kW) bei 3800 U/min, Drehmoment: 540 Nm bei 1600 U/min, Kraftübertragung: Allradantrieb, Getriebe: 7-Gang Automatik, Außenmaße: Länge 4.662 mm, Breite 1.760 mm, Höhe 1.837 mm, Radstand: 2.850 mm, Leergewicht: 2.275 Kilogramm, Höchstgeschwindigkeit: 177 Km/h, Verbrauch: Stadt 13,4 Liter / 100 Kilometer, über Land 9,7 Liter / 100 Kilometer, durchschnittlich 11,6 Liter Diesel / 100 Kilometer, Schadstoffeinstufung: EURO 4, KFZ-Steuer 463, 20 Euro jährlich, Haftpflicht: TK 24, Teilkasko: TK 24, Vollkasko: TK 26.
Fotos: Daimler AG, Homepage www.4wheelfun.de
Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Dienstag, den 07. August 2012 um 18:16 Uhr | 19.215 Besuche
Abgelegt unter G-Modell
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